Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich
seinen Füßen plätscherte ein kleiner Nebenfluss. Dort drehte er sich um und wandte sich an die leichten berittenen Bogenschützen und alle anderen, die ihn hören konnten.
»Sind wir erfahrene Krieger oder ungebildete Rekruten, die sich vor ein paar Götzenbildnissen eines Volks fürchten, das vor uns zurückweicht? Dienen wir einem Gott, der uns alle unter seinem Himmel in seine Arme schließt, oder in einer zersplitterten Truppe, die vor jedem Zeichen erschauert, als sei es ein Gebot Gottes? Niemand wird am Ausgang dieses Tals sterben. Niemand wird sterben, nur weil überall dieses Zeug am Wegrand steht. Ich werde es euch beweisen.«
Damit stieg er ab und ging zum Totem, vor dem die Kavallerie gezögert hatte. Es war ein niedriger Steinturm, der rings um einen gespaltenen Pfahl errichtet worden war. Im Spalt steckte das einzige gewundene Horn eines Bergschafs, und die ganze Konstruktion war über und über mit dessen Blut bespritzt. Es war der zweite Turm, an dem sie vorbeikamen, aber dieser hier war erheblich größer und somit eine nachdrücklichere Warnung. Es signalisierte, dass das Tier der Berge sich auf jeden stürzen würde, der den nächsten Gipfel erklomm. Die Felsen würden herabfallen, und Blut würde fließen.
Roberto trat mit dem Stiefel danach und verstreute Kiesel, Stein und Stab. Das Horn prallte von der Felswand ab und rutschte den Abhang hinunter.
»Die Drohung ist ebenso lächerlich wie der Aufbau«, rief er. »Klingen, an meine Seite. Vorwärts, marsch!«
Er führte sie bis zum Ausgang des Tals und breitete in der Leere, die er dort vorfand, die Arme aus, um auf die vielen Tausend herabzulächeln, die ihm folgten. Sogar von denen, die nichts hörten und nur seine Silhouette erkannten, kamen Jubelrufe. Er neigte den Kopf und drehte sich, um die Aussicht auszukosten, die sein Standort ihm bot.
Der Kampf war nahe. Im Norden bedeckte der Wald von Sirrane eine niedrige Bergkette. Stellenweise ragten die Hügel Hunderte, wenn nicht tausend Fuß hoch aus der schmalen, mit Bäumen besetzten Ebene auf, durch die ein Fluss lief. Jenseits dieser Ebene, etwa sechs Meilen entfernt, hatten die Tsardonier auf den niedrigen Hängen vor einer mit Schnee bedeckten Bergkette ihr Lager aufgeschlagen. Das Gebirge wurde von Pässen durchbrochen und lief im Süden, an der Grenze seines Blickfelds, in kleineren Hügeln und Anhöhen aus. Im Norden erstreckte sich die Bergkette bis nach Sirrane hinein.
Hinter ihm hielt sein Heer an. Er war froh, an dieser Stelle zu stehen, lebendig und ungehindert, während er seine zugegebenermaßen recht einfachen Entscheidungen traf. Das tsardonische Lager war klug gebaut. Sie wussten, dass er nicht durch Sirrane marschieren würde, deshalb war ihm die Nordroute versperrt. Vom Lager aus konnte man außerdem alle feindlichen Truppen beobachten, die nach Süden in die Hügel zogen.
Dunkle Wolken verdeckten die Nachmittagssonne. Es wäre sinnlos gewesen, an diesem Tag weiterzumarschieren. So kehrte er zur Kavallerie zurück und nahm von einem Adjutanten die Zügel seines Pferds entgegen. Als er aufgestiegen war, sprach er mit der Rittmeisterin der Klingen.
»Den Hang hinunter und dann scharf nach rechts. Drei Meilen nach Süden, dort schlagt ihr euer Lager auf. Schicke einen Trupp mit Flaggen und die Baumeister voraus, um die Grenzen zu markieren. Jede Verzögerung bedeutet, dass die Mägen länger leer bleiben.«
»Ja, Herr.«
»Los«, sagte er und ließ sein Pferd die Hacken spüren, bis es den schlammigen, felsigen Abhang hinunter zu der Stelle trabte, wo der Nebenfluss zutage trat. »Schwertmeister der Klingen!«, rief er. »Wo steckst du, Davarov?«
»Hier«, kam die Antwort aus dem Gedränge der Männer und Frauen, die zwischen den Steilwänden im engen Tal warteten.
»Postiere deine leichte Infanterie zwischen uns und dem Feind, während das Lager aufgebaut wird. Du wirst auch Kavallerie bekommen. Die Feinde werden nicht angreifen, aber es kann nicht schaden, ihnen unsere Stärke zu zeigen.« Dann lächelte er leicht. »Außerdem kannst du sicher etwas Übung brauchen, was?«
»Darf ich meinen General daran erinnern, dass bei den letzten Wettkämpfen die Klingen genau diese Aufgabe, die du uns jetzt übertragen hast, am schnellsten erledigt haben?« Ringsum jubelten die Bürger. »Und wenn wir Übung brauchen, was brauchen dann die Infanteristen der Pfeile, Fäuste und Falken?«
Der Jubel nahm an Lautstärke zu, und einige lachten.
»Das bedeutet nur, dass ihr
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