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Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich

Titel: Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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oder?«
    Jhered schüttelte den Kopf.
    »Das überrascht mich nicht«, fuhr Kessian fort. »Es sind gefährliche Informationen, die schließlich auch die Behauptung, der Aufstieg sei eine Perversion oder Hexerei, der Lügen strafen könnten. Beides trifft natürlich nicht zu. Er ist ebenso natürlich wie die Gezeiten oder die Blätter an den Bäumen.«
    Jhered schüttelte den Kopf. »Seid vorsichtig mit Euren Worten, Vater Kessian«, sagte er. »Ob der Orden das Gesetz hätte erlassen dürfen oder nicht – es ist gültig. Ich bin darauf vereidigt, die Gesetze des Ordens und der Konkordanz zu hüten.«
    »Was ist dann der Sinn dieser Ermittlung, wenn es nicht darum geht, ob der Aufstieg Ketzerei ist oder akzeptiert werden soll?«, fragte Willem. »Ihr wollt doch sicher, dass wir offen sagen, was wir empfinden und denken. Ungerechte Gesetze müssen aufgehoben werden.«
    »Wie ich schon Eurer Leserin erklärt habe, befinde ich mich in einer wenig beneidenswerten Lage. Ich bin nicht unparteiisch. Es ist ein Verbrechen verübt worden, daran solltet Ihr keinen Zweifel haben. Die Frage ist nur, was wir mit Euch tun, und was Ihr gelernt habt. Ich bin hier, um Eure Absichten und Wünsche zu erkunden.
    Das bedeutet aber nicht, dass Ihr keine Verbündeten habt. Orin D’Allinnius zeigt sich fasziniert von Eurer Arbeit, und Hauptmann Harkov sieht nur die unschuldigen Gedanken aller Beteiligten. Ich dagegen mache mir Sorgen, dass Ihr Eure Aufgestiegenen unter dem Banner des Ordens gefördert habt. Das ist Euer Verbrechen, und es ist ernst. Sollte der Orden davon erfahren, so müsst Ihr mit strenger Bestrafung rechnen.«
    Schweigen. Kessian war jedoch kein Mann, der sich leicht einschüchtern ließ, und seine Begeisterung war ansteckend. Jhered konnte nicht anders, er mochte den Mann.
    »Dann lest, was Gorian geschrieben hat. Sprecht mit den Bürgern der Stadt und mit uns allen. Die Wurzel von allem, was wir getan haben, liegt in der Natur selbst, und es ist der Wille Gottes. Vielmehr ist die Unterdrückung des Aufstiegs etwas Unnatürliches. Es war eine Entscheidung, die von Männern und Frauen zu ihrem eigenen Nutzen getroffen wurde, ob sie reinen Herzens waren oder nicht. Ich möchte Euch fragen, wo in den Schriften die Unterdrückung der Natur für notwendig oder akzeptabel gehalten wird.«
    Jhered lächelte. »Der Orden führt, wie er es für richtig hält, und die Advokatin verleiht ihm diese Macht. Es wäre eine Katastrophe, wenn die Religion der Konkordanz zersplittert würde.«
    »Das wünschen wir nicht«, erwiderte Genna leise. »Wir haben es nie gewollt. Es ist ein ständiger Anlass zur Trauer, dass der Orden uns alle für unsere Arbeit verbrennen würde.«
    »Wie wundervoll wäre es, wenn alle fühlen könnten, was unsere Aufgestiegenen empfinden«, sagte Kessian, mit dem jetzt das Temperament durchging. »Stellt Euch nur vor, ehrwürdiger Jhered, welche Freude es wäre, das Wachstum des Getreides spüren zu können. Euer Pferd so gut zu verstehen, dass Ihr ihm niemals wehtut. Eure Augen jeden Tag von Neuem zu öffnen und die Energie der Erde unter Euch im ganzen Körper zu spüren. Mit der Natur und den Elementen eins zu sein. Gott näher zu sein.«
    Jhered lehnte sich zurück und ließ Kessians Worte auf sich wirken. Doch mit der Pracht, die seine Worte beschrieben, kam auch die Furcht.
    »Was ist aber, Vater Kessian, wenn die Kräfte der Menschen so groß sind, dass sie das Meer, das Wetter und alles, was wächst, kontrollieren können? Es ist eine Gabe, mit der man Böses tun kann, falls die Betreffenden sich dazu entscheiden sollten. Wie weit können Eure Aufgestiegenen hinausgreifen?«
     
    Jhered traf sich erst am fünften Tag seiner Ermittlungen allein mit den Aufgestiegenen. Es war eine außerordentliche Zeit gewesen. Westfallen war anders als jeder Ort, den er bisher besucht hatte, obwohl er sich doch im Herzen des Landes befand, in dem er sich am liebsten aufhielt. Es war, als befände er sich im Innern einer Blase, die vom Rest der Welt abgeschirmt war. In dieser Blase bahnten sich jedoch Dinge an, die möglicherweise genauso wichtig waren wie die Ereignisse in Tsard.
    Die Bürger und die Aufgestiegenen von Westfallen waren aufrichtig und offenherzig gewesen und hatten nach den ersten zwei Tagen auch keine Furcht mehr gezeigt. Aus erster Hand hatte er sehen können, wie vorsichtig sie gegenüber den Händlern und Besuchern der Stadt auftraten, und wie natürlich diejenigen, bei denen sich die ersten

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