Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich
auf das Heft seiner Waffe gelegt. Andere Ritter standen mit gespannten Bogen bereit. Es war undenkbar, dass ihr in Caraduk jemand nach dem Leben trachtete, aber das war kein Grund, nachlässig zu werden.
Ihre Wächter begleiteten sie, als sie die Laufplanke hinunterschritt, die Arme halb erhoben und die Handflächen nach außen gewandt, um die Ehrenbezeugungen der Bürger entgegenzunehmen. Sie lächelte nach links und rechts und nickte freundlich angesichts der Gebete der Arbeiter, die durch die Gegenwart der Kanzlerin in ihrer Mitte gesegnet wurden. Dreißig Schritte vor ihnen wartete die Erste Sprecherin von Port Roulent an der Spitze ihres Zuges. Sie war abgestiegen und hielt ihr Pferd an den Zügeln, während der kräftige Wind ihre Roben um ihre Beine flattern ließ. In respektvoller Entfernung hatten sich die Menschen versammelt und stimmten in die Gebete und Gesänge ein. Es war ein prächtiger Klang in einer sehr frommen Provinz. Leider war sie im Herzen verdorben.
»Gesegnete Kanzlerin, es ist eine unermessliche Freude«, sagte die Sprecherin und fiel auf ein Knie, eine Hand an die Stirn gelegt und die andere als Symbol für die Wurzeln in der Erde wie eine Kralle auf den Boden gelegt. Ihr rundes Gesicht wirkte angespannt, und sie schwitzte.
»Komm schon, steh auf, Sprecherin Lotheris. Es ist lange her, dass ich dieses Kleinod im Süden besucht habe. Die Ehre und Freude sind ganz auf meiner Seite.«
Sie hatte auch zur Menge gesprochen und spürte die Woge der Dankbarkeit dieser Menschen. Sie nahm Lotheris’ feuchte und heiße Wurzelhand in die ihre und küsste sie auf die schwitzende Stirn, um sie zu segnen.
»Ich bin froh, dass Vennegoors Tauben dich erreicht haben«, sagte sie leise. »Das macht unsere unangenehme Aufgabe erheblich einfacher.«
»Alles ist vorbereitet«, versprach Lotheris.
»Wir unterhalten uns in meiner Kutsche«, fuhr Koroyan fort, während sie rasch abschätzte, wie spät es sein mochte. Es war sicher nicht lange nach der Mittagsstunde, und trotz der Brise war die Luft sehr heiß. Sie wandte sich wieder an die Menge. »Sagt allen Bescheid. Ich werde in der Abenddämmerung im Haus der Masken eine Andacht abhalten. Alle sind willkommen, mich anzuhören und Gott zu preisen.«
Darauf erhob sich aufgeregtes Geplapper. Koroyan winkte Lotheris, vor ihr in die Kutsche zu steigen. Sobald die Tür geschlossen war, wendete die Kutsche, und die Begleiter bahnten ihr laut rufend einen Weg. Vennegoor würde ihr mit dem Rest der Abordnung von Sprechern und Kriegern folgen. Diese äußerst vertrauenswürdigen Männer ließen sie niemals im Stich.
»Ich habe für Euch Zimmer in meiner Villa vorbereiten lassen«, sagte Lotheris. »Eure Leute können in der Nähe lagern oder sich am Hafen einquartieren lassen, falls Ihr es wünscht.«
»Nein«, widersprach Koroyan. »Sobald die Andacht vorbei ist, werde ich ein zeremonielles Essen mit dir und der Abordnung einnehmen, und dann werden wir nach Westfallen aufbrechen. Nun sage mir, bevor du mir die Fragen stellst, die du stellen musst, ob meine Bitten erfüllt worden sind?«
»Ich habe Krieger an den Straßen nach Westfallen, Cirandon und an zwei Nebenstraßen postiert. Diejenigen, die wir im Verdacht haben, etwas zu verraten, werden aufgehalten.«
»Brieftauben?«
»Wir tun alles, was wir können. Ich habe Beobachter auf den Dächern und Falkner an den Straßen postiert. Wenigstens werden wir es sehen, wenn Vögel ausgesandt werden, aber wir üben auch Druck aus, dass etwaige Botschaften mindestens einen Tag zurückgehalten werden.«
»Gut. Hast du etwas von Arvan Vasselis gehört?«
»Unseren Informationen zufolge ist er in Cirandon, seine Frau und sein Sohn befinden sich möglicherweise noch in Westfallen. Es ist der bevorzugte Ferienort der Familie. Genaues weiß ich aber leider nicht.«
»Das ist aber interessant«, sagte Koroyan, die sofort gewisse Möglichkeiten erkannte. »Er soll einstweilen ruhig dort bleiben. Diese Situation muss auf die richtige Weise behandelt werden. Es ist besser, wenn er zu Anfang nicht dabei ist. Gut.«
»Es gibt aber noch andere Schwierigkeiten«, fuhr Lotheris fort. »Die Straße nach Westfallen wird genau überwacht. Es heißt, es gebe dort Einschränkungen wegen einer Tierseuche, die aber meiner Ansicht nach schon viel zu lange in Kraft sind, um noch glaubwürdig zu sein.«
»Ich habe hundert Gottesritter dabei, Sprecherin Lotheris. Posten auf dem Weg werden uns nicht aufhalten.«
»Kanzlerin, ich
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