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Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich

Titel: Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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jedes Mal, wenn er zu Besuch kam, liefen die Tränen ungehindert über seine Wangen. Das war für jeden, der ihn begleitete, der schlimmste Augenblick des Tages.
    Kessian stand an der Schwelle des Todes und wusste nicht, ob er jetzt all das, wofür er sein Leben lang gearbeitet hatte, wieder verlieren würde. Diese vier jungen Menschen waren seine letzte Gelegenheit, einen wahren Aufgestiegenen zu sehen. Diejenigen, die danach zur Welt gekommen waren, zeigten keine Anzeichen eines Durchbruchs. Endlich ließ er sich zu einem dick gepolsterten Lehnstuhl führen, auf den er mit verzweifeltem, müdem Schnaufen sackte.
    »Du musst glauben, dass dies ein Teil ihres Wachstums ist. Du musst glauben, dass dies mit dem wahren Erwachen abschließt, und dass alles, was wir bisher gesehen haben, nicht mehr als ein Vorspiel war«, sagte sie, während sie vor ihm kniete und ihm die Hände auf die Knie legte.
    Kessian sah sie forschend an. »Wann wird es enden?«, erwiderte er mit matter Stimme. »Wie können wir glauben, dass dies richtig, gut und notwendig ist? Wie kann Gott ihnen dies zumuten? Wie können wir tatenlos neben ihnen stehen?«
    »Wir stehen neben ihnen, weil wir sonst nichts tun können. Wir haben ein unbekanntes Gebiet betreten und dürfen nicht im Glauben wanken. Gott wird uns nicht im Stich lassen, und wir, die Autorität, wir werden dich nicht im Stich lassen. Jeder kann der Verzweiflung anheim fallen, aber wir dürfen uns nicht davon überwältigen lassen.«
    Kessian legte seine Hände auf die ihren. »Hesther, du bist so stark. Wenigstens weiß ich, dass ich die Autorität den besten Händen überlasse.« Sein Blick wanderte zu den Betten. »Ich würde sie so gern noch einmal lachen sehen.«
    Hesther rang sich ein Lächeln ab. »Du wirst noch viel mehr als das sehen. Deine Rückkehr in die Erde steht noch nicht unmittelbar bevor, und das weißt du auch.«
    Es klopfte leise und respektvoll an der Tür. Shela stand auf, um zu öffnen. Kovan und Netta Vasselis warteten draußen, Sohn und Mutter. Er war groß und sah gut aus, ein Ebenbild seines Vaters, sie war anmutig und immer noch sehr schön. Beide hatten ihnen in diesen schrecklichen Tagen ihre unerschütterliche Unterstützung gewährt, während der Marschall selbst in Cirandon mit dringenden Angelegenheiten der Konkordanz befasst war, ehe er nach Glenhale reiste. Sie hatten frische Blumen aus ihrem eingefriedeten Garten mitgebracht und warteten auf der Schwelle.
    »Dürfen wir sie besuchen?«
    »Ich glaube nicht, dass die Gattin und der Sohn unseres geliebten Marschalls eine Erlaubnis brauchen«, erwiderte Hesther, die sofort aufstand und ihr Kleid glatt strich.
    »Du überschätzt unsere Bedeutung, Hesther«, widersprach Netta lächelnd. »Außerdem weißt du, was ich meine.«
    »Kommt herein«, lud Hesther sie ein. »Ihr wisst doch, dass ihr jederzeit willkommen seid.«
    Netta trat zu Shela, die über Arducius wachte, an das vordere Bett. Kovan würdigte die Jungen keines Blicks und strebte sofort zum anderen Ende des Raumes, wo Mirron lag, die im Augenblick sehr still war. Er nahm die Blumen des vergangenen Tages aus der Vase und stopfte die frischen recht unbeholfen hinein. Dann setzte er sich auf den Holzstuhl am Kopfende ihres Betts und legte die alten Blumen auf den Boden.
    »Geht es ihr besser?«, fragte er, während er eine ihrer Hände nahm und streichelte.
    Hesther schüttelte den Kopf. »Nein, Kovan, ich fürchte nicht. Aber ich bin sicher, dass sie sich irgendwo tief drinnen besser fühlt, weil du bei ihr bist.«
    Kovan errötete und lächelte. Netta wandte sich an Hesther.
    »Du solltest mich auch hier einteilen«, sagte sie leise. »Ihr seht alle so müde aus.«
    »Das ist nicht möglich«, erwiderte Kessian, der nicht aufgestanden war. »Die Autorität muss sich hiermit befassen, auch wenn ich nicht weiß, wie weit wir ohne eure Unterstützung überhaupt gekommen wären.«
    »Ich verstehe«, sagte Netta. »Aber falls ihr es euch anders überlegt …«
    »Dann werden wir dir sofort Bescheid geben«, sagte Hesther.
    »Allerdings beten wir jeden Tag, dass dieser Albtraum bald ein Ende nimmt.«
    »Wir gehen jeden Morgen und jeden Abend ins Haus der Masken und beten wie ihr.«
    »Wenn ihr euch dort zeigt, helft ihr uns am besten«, sagte Kessian. »Die Tatsache, dass ihr hier seid und uns in aller Öffentlichkeit unterstützt, trägt dazu bei, dass auch das Volk zu uns steht.«
    »Es tut mir leid, dass ich das alles ausgelöst habe«, warf Kovan

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