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Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich

Titel: Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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Trocken schluckte er und vertrieb blinzelnd die Tränen, die ihm in die Augen schossen. Er hatte keine Ahnung, was er tun konnte. Nichts wollte ihm einfallen.
    Auf der Straße hörte er nahende Hufschläge und die barschen Rufe der Tsardonier. Die Schreie der Einwohner von Gullford wurden noch lauter, immer mehr Menschen rannten voller Panik umher. Das Glühen am nördlichen Himmel verstärkte sich noch, und in einem stillen Moment hörte er sogar die Flammen knistern und abgerissene Jubelrufe.
    Er kehrte seinem Arbeitstisch den Rücken. Direkt vor seiner Tür war die Straße ruhig. Vorsichtig näherte er sich dem Eingang. Offenbar hatte dieser Überfall einen ganz anderen Charakter. Der erste Angriff der Tsardonier war bei vollem Tageslicht und eher willkürlich erfolgt. Damals hatten sie ganze Straßenzüge völlig ignoriert, einige Häuser völlig zerstört und andere verschont. Wieder andere, wie sein eigenes, waren nur aufgebrochen worden, um Beute zu machen. Nachdem sie seine Frau und seinen Sohn verschleppt hatten, waren sie rasch weitergezogen.
    Das Ohr an den Fensterladen gepresst, blieb er stehen und begriff nicht ganz, was er hörte. Immer noch herrschte da draußen ein Tumult, aber der Lärm schien sich nach Norden zu entfernen und hatte eine Atmosphäre hinterlassen, die er nicht einschätzen konnte. Behutsam zog er die Fensterläden ein Stück auf und spähte hinaus. Zuerst blickte er nach links und hielt unwillkürlich den Atem an. Dann wechselte er die Seite und blickte nach rechts, nach Süden. Genau das Gleiche. Er schloss die Läden, sicherte sie mit den Haken und wich zurück.
    Tsardonier. Sie näherten sich aus beiden Richtungen, Reiter in der Mitte und Schwertkämpfer an jeder Seite, und traten sämtliche Türen ein. Jesson zog sich taumelnd zurück. Seine Laternen waren geradezu eine Einladung für die Feinde. Die Tür würde bersten wie beim ersten Überfall, und nun würden sie auch ihn verschleppen, wie sie es schon mit seiner Frau und seinem Kind getan hatten. Das durfte nicht geschehen. Er musste hier sein, wenn sie zurückkehrten.
    Dieser Gedanke vertrieb den Nebel aus seinem Kopf. Er hatte keine Zeit, irgendetwas mitzunehmen. Angezogen war er immerhin, das musste reichen. Er rannte durch den Laden nach hinten auf den Hof hinaus, am Brennofen vorbei und zu den Holzregalen an der Rückwand. Früher hatten hier Töpferwaren gestanden, die noch dekoriert werden mussten. Jetzt war das Regal leer, aber vielleicht konnte es ihm das Leben retten.
    Han kletterte am Regal hoch, dessen Bretter unter seinem Gewicht nachgaben und protestierend knarrten. Das Geräusch klang ihm schrecklich laut in den Ohren. Als er das oberste Brett erreicht hatte, sprang er hoch, um die Kante der Dachterrasse des Nachbarhauses zu erreichen. Dort wohnte die Prätorin Gorsal, die ihm seinen Fluchtversuch sicher nicht verübeln würde.
    Hinter ihm wurde gerade die Vordertür eingetreten. Rufe ertönten in seiner Werkstatt, der Lärm von der Straße drang jetzt viel lauter herein. Von der Gefahr beflügelt, zog er sich hoch, kletterte und lag schließlich auf Gorsals Terrasse, wo er tief Luft holte, ehe er zur Treppe unter dem Sonnendach lief. Ein rascher Blick zurück verriet ihm, dass sie ihn nicht gesehen hatten, im Hof war niemand.
    Gorsals Haus war leer und dunkel. Fast lautlos huschte er in Sandalen über den Steinboden und berührte mit einer Hand die Wand, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Unten fiel schwaches Licht in den kleinen Flur. Er hätte nicht so empfinden sollen, aber er war erleichtert, dass die Tsardonier schon hier gewesen waren und alle mitgenommen hatten, die sie angetroffen hatten.
    Auch in diesem Haus hatten sie die Tür zertrümmert. Gorsals Sammlung von Amphoren und Vasen aus der ganzen Konkordanz lag in Scherben auf dem Boden verstreut. Eine von ihm hergestellte Vase war ebenfalls zerstört. Die Scherben knirschten unter seinen Füßen, als er zur Tür ging.
    Sein Herz hämmerte schmerzhaft und so laut in der Brust, dass er fürchtete, die Tsardonier müssten es hören, und er zitterte schon wieder wie Espenlaub. Schließlich hielt er inne, weil ihm einfiel, dass er sich auch hier verstecken konnte. Das Haus war bereits durchgekämmt worden, und es bestand kein Grund, nach draußen zu laufen und sich in Gefahr zu begeben. Hier drinnen wäre er sicher. Die Hoffnung gab ihm neuen Auftrieb.
    Er wich einen Schritt zurück. Draußen hörte er ein Stimmengewirr, das ihm einen Hinweis gab,

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