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Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich

Titel: Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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nichts durch, was sie heilen könnte. Keine Lebenslinien.«
    »Tja, dann …«
    »Schon gut«, sagte Ossacer, der spürte, wie Arducius nervös wurde. »Ich kann das in Ordnung bringen.«
    Dabei wusste Ossacer, dass er nicht auf Arducius’ Energie zurückgreifen konnte, um die unterbrochenen Linien in den Handgelenken wieder zu verknüpfen. Es war wie bei den meisten verletzten oder kranken Tieren und Menschen. Sie waren geschwächt und konnten nicht viel beisteuern. Die Bahnen in der Luft und im Hypokaustum und der leichte Luftstrom unter der Tür boten zwar reichlich Rohmaterial, aber Ossacer hatte noch nicht genügend Löcher im Schwamm gestopft, und Arducius brauchte viel Hilfe. So musste Ossacer auf seine eigene Energie zurückgreifen. Es würde viel anstrengender werden, als er vermutet hätte.
    Sachte berührte er Arducius’ Handgelenk und strich mit den Fingern über den Verband. Er spürte die Tiefe und Breite der Schäden und bemerkte die dunklen Linien, wo Haarrisse entstanden waren und wo Nerven und Blutgefäße eingeklemmt oder zerrissen waren. Als er das Ausmaß der Aufgabe richtig eingeschätzt hatte, legte er die Hände mit gespreizten Fingern auf den Verband, wobei sich die Daumen berührten. In Arducius’ Händen und Fingern verliefen die Energiebahnen willkürlich und richtungslos, was vermutlich die Schmerzen und den Juckreiz noch verstärkte. Ossacer empfand ganz unerwartet eine tiefe Freude. Es war genau so, wie Vater Kessian und Genna es beschrieben hatten. Genau so, wie es in den Schriften Gorians und den heiligen Schriften Gottes erklärt war. Der Zyklus des Lebens war unterbrochen. Es waren die Energiebahnen, die großen und kleinen Kreisläufe, die allen Geschöpfen Gesundheit und Lebenskraft schenkten. Wenn sie gestört wurden, schwand auch das Leben. Jetzt wusste er ohne jeden Zweifel, dass seine Idee richtig war, und dass Gott ihn und seine Freunde auf die Erde geschickt hatte, um zu heilen und zu helfen. Sie sollten eine Quelle der Wunder sein und Gottes Werke tun. Der Orden irrte sich.
    »Ich will die unterbrochenen Lebenslinien in deinen Handgelenken wieder verknüpfen. Versuche jetzt, still zu liegen.«
    »Was benutzt du dazu?«
    »Alles, was ich in diesem Raum finden kann. Aber vor allem meine eigene Energie.«
    »Ossacer, das ist …«
    »Widersprich mir nicht. Gott wird mir meine Kraft schon zurückgeben.«
    Er versuchte, die winzigen Energien aus dem Luftzug und den warmen Steinen unter seinen Füßen einzubeziehen und öffnete seinen Geist, wie sie es gelernt hatten. Es war, als öffnete er den Mund, um Nahrung aufzunehmen. Doch es kam so wenig herein. Es half ihm ein wenig, sich zu konzentrieren, reichte aber nicht annähernd aus, um Arducius zu helfen. So konnte er nur hoffen, genug in sich selbst zu finden, um zu tun, was getan werden musste.
    Ossacer begann mit der Arbeit und lenkte seine eigenen Körperenergien in Arducius’ Arm. Sein Freund spannte sich an und grunzte überrascht. Vor seinem inneren Auge sah Ossacer, wie sich seine eigenen Lebenslinien aus seinen Fingern mit denen verbanden, die der Bruch zerrissen hatte. Arducius keuchte, als die Verbindung hergestellt war, denn er spürte, wie die Lebenskraft wieder strömte und in seine Verletzung vordrang.
    Das war der leichtere Teil. Ossacer konnte nun einfach sitzen bleiben und Arducius die Schmerzen nehmen, solange er wach und konzentriert war, aber das würde seinen Freund nicht heilen. Jetzt musste er die Lebenslinien wieder ins verletzte Handgelenk hineintreiben und neue Verbindungen knüpfen, damit die Heilung beginnen konnte.
    Ossacer konnte wie kein anderer die Störungen sehen, die der Bruch verursacht hatte. Er konnte erkennen, wo der Knochen nicht richtig eingerichtet war, wo noch Splitter im Fleisch saßen und wo der Blutstrom unterbrochen war.
    »Es geht jetzt los, Arducius. Bitte bleib ruhig. Die Energie muss jetzt in dein Handgelenk fließen. Ich hoffe, es tut nicht weh.«
    »Mach schon.«
    Ossacer nickte und atmete tief ein. Er begann dort, wo in Arducius’ Unterarm die Lebenslinien am stärksten waren. Vor seinem inneren Auge sah er die Landkarte der Energiebahnen und die Punkte, an denen die Linien vor Arducius’ Handgelenk abbogen und sich mit seinen eigenen verbanden. Er konzentrierte sich und drückte sie nach unten, um die Bahnen wieder dort einzufügen, wo sie hingehörten. Stück für Stück arbeitete er sich vor und benutzte den künstlich erschaffenen Kreislauf, um den körperlichen

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