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Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich

Titel: Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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durchsickert, auch wenn es keine Einzelheiten sind, müssen wir uns eine Antwort überlegen. Du solltest mit Elsa Gueran zusammenarbeiten. Der Orden muss uns unterstützen, und sei es nur in Person einer Leserin, die unseren Glauben teilt und genau wie wir allen Grund hat, die Kanzlerin zu fürchten.«
    »Natürlich, Ardol«, willigte Hesther ein.
    »Erst wenn wir wieder Ruhe unter den Aufgestiegenen geschaffen haben, werden wir mit Ossacer über seinen Lernerfolg reden. Ich habe das deutliche Gefühl, dass es sich um einen größeren Durchbruch handelt, aber wir brauchen dafür die richtige Atmosphäre. Einverstanden?«
    Alle nickten. Kessian richtete sich mühsam mithilfe seiner Stöcke auf.
    »Dann lasst uns zu Bett gehen. Gott schenke euch seinen Segen, bis er euch mit dem Licht der Dämmerung weckt.«
     
    Es war eine sehr stille Nacht. Außer Shela Hasis und Arducius’ Atem war kein Laut zu hören. Ossacer lauschte eine Weile, während er blinzelte, um die Phantome zu vertreiben, die durch seine blinden Augen zuckten. Shelas Atem ging tief und regelmäßig, sie lag still. Arducius schnaufte und seufzte. Ossacer lächelte in der Dunkelheit. Dankbarkeit für seinen Freund erfüllte sein Herz.
    »Bist du wach, Arducius?«, fragte er leise.
    »Ja, bin ich«, erwiderte der Junge. »Ich kann nicht schlafen. Es tut weh. Was macht dein Arm?«
    »Ganz gut.« Ossacer kratzte abwesend am Verband. Gennas kühlende Salbe hatte die pochenden Schmerzen nicht ganz aus der Wunde vertreiben können. »Shela schläft, nicht wahr?«
    »Bis Genna am Morgen mit frischem Eis kommt. Bäh, das ist schrecklich.«
    »Hilft es denn nicht?«, fragte Ossacer, der Arducius’ Schauder fast im eigenen Körper spüren konnte.
    »Es betäubt die Haut. Trotzdem tut es noch weh, und die ganze Zeit kribbeln meine Finger.«
    »Vertraust du mir?«
    Arducius schwieg eine Weile. »Ich … ja, sicher. Was soll das, so eine Frage mitten in der Nacht?«
    »Ich kann dir helfen«, sagte Ossacer. Sein Herz raste. »Wenn du mich lässt.«
    »Wobei kannst du mir helfen?«
    »Ich glaube, ich kann die Brüche richten.« Ossacer drehte sich um und drückte sich auf dem gesunden Ellenbogen hoch, bis er in Arducius’ Richtung gewandt war. »Wenn du es mich versuchen lässt.«
    Wieder gab es ein Schweigen. Ossacer konnte förmlich sehen, wie Arducius das Für und Wider abwog. Die unzähligen Brüche seiner spröden Knochen hatte er nur überlebt, weil Genna Kessian so geschickt darin war, die Bruchstellen zu finden, und den Heilern und Wundärzten von Westfallen genaue Anweisungen geben konnte, wie die Knochen zu richten waren. Und nun bot ihm ein Aufgestiegener, der erst vor zwei Jahren erwacht war, etwas Unerprobtes und absolut Neues an. Sie alle wussten dank peinlicher und schmerzhafter Erfahrungen, wie gefährlich es war, neue Fähigkeiten zu erproben.
    »Ist es das, was du Gorian nicht verraten wolltest?«
    »Es ist der Grund dafür, dass du hier liegst«, bestätigte Ossacer.
    »Wird es mir wehtun? Oder dir?«
    »Ich glaube nicht«, sagte Ossacer. »Nicht, wenn ich es richtig mache.«
    Arducius rang sich ein Kichern ab, und die Spannung ließ etwas nach. »Ja, das dachte ich mir.«
    Auch Ossacer lächelte. Er rückte auf seinem Bett näher an seinen Freund heran. Zwei Fuß breit war die Lücke zwischen ihren Betten. Shela schlief an der Tür auf einem Lehnstuhl, die Füße auf einen gepolsterten Hocker gelegt.
    »Nun?«
    »Bist du sicher, dass du es kannst?«
    »Ich werde es dir schon sagen«, versprach Ossacer.
    »Sehr witzig«, antwortete Arducius. »Nimm mir nur die Schmerzen, das reicht schon. Und erkläre mir, was du machst.«
    Ossacer war voller Stolz. Sein Freund vertraute ihm, es war ein wundervolles Gefühl.
    »Ich werde dich nicht enttäuschen.«
    Ossacer schloss die Augen und konzentrierte sich mit aller Kraft. Tief und bewusst atmete er ein und aus. Dabei streckte er die Hände mit gespreizten Fingern aus und bewegte sie leicht, als spiele er auf einer unsichtbaren Kithara. Gleichzeitig spitzte er die Ohren und lauschte auf das Knarren der Dachbalken und der Betten, auf denen sie lagen.
    Langsam entstanden Farben und Licht vor seinem inneren Auge, wärmten seinen ganzen Körper und erinnerten ihn an die Zeit, da er nur die Augen öffnen musste, um Farben zu sehen. Dies hier war allerdings viel eindrucksvoller als Erinnerungen. Dies war sein neues Fenster in die Welt, das ihm niemand wieder wegnehmen konnte.
    Jenseits seiner geschlossenen Lider

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