Die Kinder von Estorea 02 - Der magische Bann
Glauben nicht teilen.
»Die Höhen von Kark haben dir das Gehirn ausgetrocknet«, sagte er. »Erkennst du denn nicht, dass dies nicht einmal eine letzte Verzweiflungstat ist? Es ist der komplette Wahnsinn. Wie kannst du von mir erwarten, dass ich so etwas glaube?«
»Ich bitte dich, mir zu vertrauen«, erwiderte Jhered.
»Aber aus welchem Grund?« Roberto hatte Mühe, leise zu sprechen. Er deutete zum Ausgang des Zelts. »Es fällt mir jetzt schon schwer, die Leute da draußen bei der Stange zu halten. Seit meinem ersten und einzigen Sieg in diesem Jahr hatte ich mit Seuchen, Fahnenflüchtigen, Gewaltmärschen und Rebellionen zu tun, und alle Neuigkeiten, die ich bekommen habe, waren schlecht. Wie kannst du da von mir erwarten, dass ich nach draußen trete und meinen Soldaten erzähle, vier Kinder würden für uns den Krieg gewinnen? Wenn ich das tue, werde ich sie alle verlieren. Sie würden mich auslachen, und ich könnte es ihnen nicht einmal vorwerfen. Eine Meuterei würde ausbrechen, und diese zusammengewürfelte Streitmacht würde sofort zerfallen.«
»Dennoch ist es wahr«, sagte Jhered.
»Aber du hast nicht den geringsten Beweis«, entfuhr es Roberto. »Verdammt, Paul, das klingt, als hättest du das alles nur erfunden. Eine Geschichte, die man einem kleinen Kind erzählt. Außerdem ist es Ketzerei vor dem Allwissenden. Das kann ich nicht so einfach hinnehmen.«
»Glaubst du, ich hätte nicht mit mir gerungen?« Jhered erhob sich und baute sich dicht vor ihm auf. Der Einnehmer war einen Kopf größer als Roberto, und sein Blick konnte Steine in Angst und Schrecken versetzen. Roberto zuckte mit keiner Wimper. »Glaubst du denn, ich wäre wegen einer bloßen Laune den ganzen Weg hierher gereist? Die Leviumkrieger müssten jetzt am Solastropalast angetreten sein, und eigentlich sollte ich bei ihnen sein. Sie werden ohne ihren Kommandanten reiten. Ich setze alles auf die Aufgestiegenen, weil ich fest davon überzeugt bin, dass sie die Konkordanz retten können, ob sie nun als Ketzer gelten oder nicht.«
Roberto nickte und wedelte mit einem Dokument. »Meine Mutter traut dir vorerst und hat sich entschieden, dir zu glauben. Aber sie ist nicht hier. Sie weiß nicht, wie es um die Moral meiner Truppe bestellt ist.«
»Dennoch …«
»Paul, du hast keinerlei Grundlage für deine Behauptung, sie könnten den Krieg gewinnen. Na schön, sie können die Segel mit Wind füllen und die Wurzeln zwingen, eine Barriere zu bilden. Falls ich das glauben will, wozu ich aber nicht bereit bin. Von da aus machst du einen gewaltigen Sprung zu der Annahme, sie könnten Berge einstürzen lassen, Wirbelstürme und Blitze heraufbeschwören und unter den Füßen unserer Feinde die Erde aufreißen. Das ist Unfug, und ich begreife nicht, warum ausgerechnet du dich auf so etwas eingelassen hast.«
»Bitte, Roberto – sieh es dir an. Blicke in ihre Augen. Lass dir von ihnen zeigen, was sie tun können.«
»Nein!« Roberto wandte sich ab, er konnte nicht anders. Es kam ihm vor, als stünde ein neuer Shakarov vor ihm. Ein Mann, den er kannte und bewunderte, hatte sich über Nacht in einen Fremden verwandelt. »Hast du denn nicht zugehört? Wenn sie wirklich tun können, was du sagst, was wird dann wohl eine Vorführung in meinem Lager bei meinem Heer anrichten? Es ist mir egal, auf welcher Seite sie stehen. Der gute Gott umfange mich, Schatzkanzler, aber wie kannst du so etwas von mir erwarten?«
»Weil du weißt, dass du mir vertrauen kannst. Weil du weißt, dass ich nichts unternehme, wenn ich nicht fest davon überzeugt bin, dass es der Konkordanz und meinen Freunden nützt. Menschen wir dir, Roberto. Und deiner Mutter.«
Roberto schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid, Paul, aber ich muss ablehnen. Ich werde die Marschrichtung ändern, weil ich glaube, was du über die Feinde berichtet hast. Außerdem glaube ich aber auch, dass wir den Krieg für die Konkordanz ohne die Hexerei der Aufgestiegenen gewinnen können. Ich werde die tsardonischen Linien angreifen und mithilfe von Gestern zerschlagen. Dann kehren wir um und erobern Atreska zurück.«
»Das aus dem Munde eines Mannes, der heute noch gefürchtet hat, der Krieg sei verloren«, erwiderte Jhered; Roberto schmerzte die Verachtung, die er heraushörte. »Du hast Zuversicht in einer Quelle gefunden, die ich gern anzapfen würde.«
»Ich glaube, du hast genug gesagt«, erwiderte Roberto. »Da du immer noch mein Freund bist, werde ich dir meinen Schutz gewähren. Das gilt
Weitere Kostenlose Bücher