Die Kinder von Estorea 02 - Der magische Bann
dich überhaupt einige Boten erreicht haben. Auf welchem Weg sind sie gekommen?«
»Es waren drei«, sagte Roberto. »Zwei kamen über Gestern aus dem Süden, einer von Westen durch Atreska. Sie waren langsam, weshalb die Botschaften schon wieder veraltet sind, aber das Gesamtbild dürfte noch einigermaßen genau sein.«
»Ich habe neuere Informationen aus Gestern.«
»Gut«, sagte Roberto. Er deutete auf den Schreibtisch, auf den seine Karten geheftet waren. »Wir werden uns gleich mit deinen Schutzbefohlenen befassen. Vorher will ich dir aber noch erklären, wo wir stehen.«
Er deutete auf eine Karte von Atreska, Gosland, dem östlichen Tsard, Gestern und dem Tirronischen Meer.
»Der Krieg hat die neratharnische Grenze noch nicht erreicht, ist aber nicht mehr weit entfernt. Wir haben nicht genügend Kräfte, um den Feind lange abzuwehren. Soweit ich weiß, soll Gestern gleichzeitig angegriffen werden. Wenigstens scheint Gosland im Augenblick relativ sicher zu sein. Die Tsardonier sind gut organisiert. Ich kann nur hoffen, dass sie nicht noch mehr Truppen aufbieten als diejenigen, die wir schon gesehen haben.«
»Was gibt es Neues über den Widerstand in Atreska?«, fragte Jhered.
»Der ist zersplittert und unbedeutend. Yuran hat einen ungeheuren Verrat begangen, doch die meisten Einwohner seines Landes lieben ihn und glauben trotz allem an ihn. Was an loyalen Legionen noch vorhanden war, dürfte längst vernichtet oder nach Norden oder Westen geflohen sein, wo sie nützlicher sind. Einige sind sicher zur Vernunft gekommen, als diejenigen, die sie für ihre Freunde hielten, ihnen die Klingen an den Hals gesetzt haben.« Roberto schüttelte den Kopf. »Atreska versinkt im Chaos. Eines Tages werden die Einwohner erkennen, welche Dummheit sie begangen haben. Die Tsardonier verbreiten Lügen über eine Befreiung, aber sie werden nicht wieder abziehen, wenn die Konkordanz sie nicht vertreibt. Man müsste schon sehr naiv sein, um etwas anderes zu glauben.«
»Was bleibt noch, falls die Tsardonier unsere Verteidigung in Neratharn durchbrechen?«
»Nicht mehr viel. Die Verteidigung an der Küste, die Erste Legion. Es reicht nicht.« Roberto fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Er wusste nicht mehr ein und aus. »Paul, ich fürchte, ich habe einen Fehler begangen, der unsere Konkordanz zerstören könnte.«
»Was? Nein, nein. Nach Süden zu marschieren war die klügste Entscheidung deines Lebens, glaube mir.«
»Wie kann das sein? Jorganesh müsste inzwischen in Gestern sein. Die Tsardonier können nicht durchbrechen, dazu sind sie nicht stark genug. Ich hätte mich durch Atreska kämpfen und Neratharn helfen sollen. Verdammt, ich habe siebenhundert Kämpfer aus meinen atreskanischen Alae verloren. Fast hätte ich sie Feiglinge und Verräter genannt, aber in Wirklichkeit bin ich der Feigling, der sich vor der Schlacht drückt.«
»So darfst du nicht denken«, fauchte Jhered. Er fasste Robertos Kinn mit einer riesigen Hand. »Niemals. Du darfst dich nicht selbst entehren, und es ist nicht wahr. Du weißt doch, warum du nach Süden marschiert bist, und ich danke dem Allwissenden, dass du es getan hast.«
Er unterbrach sich, ließ Robertos Kinn los und entschuldigte sich. Dann nagte er an der Unterlippe.
»Was ist los, Paul?«
»Jorganesh ist nicht in Gestern«, sagte der Schatzkanzler leise. »Er wird nie dort ankommen.«
»Was soll das heißen?«, fragte Roberto.
»Er geriet in der Lubjekschlucht in einen Hinterhalt. Sein ganzes Heer wurde abgeschlachtet. Niemand wird die Tsardonier davon abhalten, Gestern zu erreichen.«
Robertos Gedanken rasten. Er starrte die Karte an und sah vor seinem inneren Auge, wie die Tsardonier einer Flutwelle gleich seine geliebte Konkordanz überschwemmten. Unaufhaltsam, unausweichlich. Einer nach dem anderen wurden alle ausgeschaltet, die er kannte und denen er vertraute. Erst Gesteris, jetzt Jorganesh.
»Bist du sicher?«
»Ich habe es mit eigenen Augen gesehen.« Jhered räusperte sich. »Das ist noch nicht alles. Du konntest ungehindert marschieren, nicht wahr?«
Roberto nickte. »Es war ein Segen. Unverständlich, aber ein Segen. Allerdings werden wir beobachtet. Sie wissen, dass wir kommen, aber wir holen nicht schnell genug auf.«
»Das liegt daran, dass sie nicht vor dir sind. Deine Späher werden nicht herausfinden, wohin sie sich gewandt haben. Sie greifen dich nicht an, weil du dich in die falsche Richtung bewegst. Ich bin sicher, sie planen einen Angriff auf
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