Die Kinder von Estorea 02 - Der magische Bann
Davarov.
»Vielleicht ist das gar nicht nötig«, sagte Kastenas.
»Mach dich nicht lächerlich.«
Doch Kastenas zog schon ihre Handschuhe an. Dann deutete sie auf Dahnishev.
»Lass ihn ja nicht sterben, ehe ich zurück bin.«
»Wohin willst du?«, fragte der Arzt.
»Lass ihn nur nicht sterben.«
Kastenas rannte aus dem Zelt. Dahnishev richtete den Blick wieder auf Roberto und kniete sich neben seinen Kopf.
»Du hast es gehört«, sagte er. »Wage es ja nicht, mir zu entgleiten, alter Freund.«
24
848. Zyklus Gottes, 41. Tag des Solasab
15. Jahr des wahren Aufstiegs
D ie Aufgestiegenen schliefen. Es war der dunkle, tiefe Schlaf erschöpfter Körper. Jhered beobachtete das nicht zum ersten Mal. Inzwischen war bereits zu erkennen, dass sie sich rasch erholten. Arducius’ Gesicht war schon fast wieder jugendlich glatt, auch wenn seine Hände noch trocken und runzlig waren. Ihm ging es noch am besten. Ossacer hatte sich, seit er die Augen geschlossen hatte, überhaupt nicht verändert und unruhig geschlafen.
Jhered hatte sich an einen Baum gelehnt, um sie während der ganzen Nacht zu bewachen. Kovan hatte seinem Beispiel folgen wollen, aber der Tag war zu viel für ihn gewesen, und jetzt lag er quer über seiner Schwertscheide und schlief. Das Feuer brannte noch und spendete in der klaren, kalten Nacht eine willkommene Wärme. Der Dusas würde in fünf Tagen beginnen.
Sachte streichelte er Ossacers Haare.
»Werdet Ihr auf Eure alten Tage weich?«
»Appros Menas, Ihr solltet doch auf die Umgebung achten.«
»Das tue ich, Schatzkanzler, und ich erkenne dabei, dass mein Kommandant seine Maske verliert.«
Menas trat in den Feuerschein und wärmte sich die Hände. Ihr Brustharnisch glänzte unter dem Pelzmantel, den sie sich über die Schultern gelegt hatte. Jhered kicherte.
»Sie haben es heute wirklich getan«, sagte er, »und ich bin stolz auf sie. Ich werde dafür sorgen, dass ihnen nichts geschieht.«
»Und dies nicht nur, weil sie eine wertvolle Waffe sind?«
»Was soll ich darauf antworten? Dass sie mir ans Herz gewachsen sind? Ja, so ist es. Sie haben es mir verdammt schwer gemacht, aber hinter all dem Gejammere sind sie ganz in Ordnung.«
Menas lachte. »Welch gnädiges Eingeständnis.«
»Menas … Erith.« Er räusperte sich. »Danke.«
»Wofür?«
»Für alles, was Ihr geopfert habt, um mich zu begleiten. Und dafür, dass Ihr Mirrons Freundin geworden seid. Ich glaube, ohne Euch hätte sie es nicht geschafft.«
Menas errötete unter dem Helm mit dem Federbusch. »Ihr seid der Schatzkanzler. Ich bin eine Einnehmerin. Ich gehe, wohin Ihr mich schickt, mein Schatzkanzler.«
»Paul. Ich glaube, hier draußen solltest du mich Paul nennen«, erwiderte er unwirsch.
»Wirklich? Und was ist mit denen da?« Sie deutete auf die schlafenden Aufgestiegenen. »Wir waren uns doch einig, dass Disziplin wichtig ist.«
»Ich weiß«, sagte Jhered. »Das war auch völlig richtig. Aber jetzt hat sich etwas verändert. Sie haben etwas getan, das sie nie wieder vergessen werden. Sie haben Schuldgefühle und empfinden Reue. Sie brauchen mehr als einen brüllenden Feldwebel. Außerdem nennen sie mich inzwischen manchmal auch beim Vornamen.«
»Bist du sicher, dass du für die Vaterrolle aus dem richtigen Holz geschnitzt bist?«, fragte Menas lächelnd.
»Ich bin absolut sicher, dass ich es nicht bin«, erwiderte Jhered. »Deshalb musst du mir helfen. Wie auch immer, was wolltest du melden?«
»Der Reiter, der sich uns nähert, stellt keine Gefahr dar.«
»Ganz sicher?«
»Ganz sicher.«
Sie warteten. Die einsame Reiterin kam im Galopp ins Lager geprescht und stieg eilig ab, zog den Helm vom Kopf und presste ihre Hand an die Brust.
»Meisterin Kastenas.« Jhered stand auf. »Ich hoffe, Ihr überbringt die aufrichtige Entschuldigung Eures Generals dafür, dass er uns hier draußen ausgesetzt hat.«
Kastenas Augen füllten sich mit Tränen, und einige rollten über ihr Gesicht, ehe sie sich fassen konnte.
»Bitte«, sagte sie. »Ihr müsst ihm helfen, Roberto. Er wurde niedergestochen und liegt im Sterben.«
Jhered musste nicht lange nachdenken. Er weckte die Aufgestiegenen, blickte jedem ins müde, gereizte Gesicht und wandte sich schließlich an den Einzigen, der helfen konnte.
»Ossacer, komm mit, Junge. Du sagst mir doch immer, dazu wärst du geboren.«
»Ihr habt uns angelogen«, sagte der Junge, der seine Albträume noch nicht vergessen hatte. »Ihr habt uns dazu gebracht, andere
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