Die Kinder von Estorea 02 - Der magische Bann
kontrollieren. Wir haben ja gesehen, was daraus geworden ist.«
»Ich weiß, und es tut mir leid, aber es ist mir ziemlich egal, ob euer Sturm außer Kontrolle gerät. Im Grunde wäre das vielleicht sogar ganz gut.« Jhered war inzwischen etwas frustriert.
»Es ist kompliziert«, meinte Ossacer leise. »Es könnte sich auch gegen uns wenden.«
Jhered seufzte. »Erkläre es mir. Ich bin nicht so dumm, wie ich aussehe.«
»Also, die Energien von Wind und Wetter sind anders als die von Bäumen und Pflanzen. Wenn wir den Pflanzen keine Energien mehr zuführen und die Kräfte nicht weiter verstärken, bricht die Wirkung einfach ab. Ein Sturm muss jedoch, sobald er entstanden ist, genau kontrolliert werden und dann unter Kontrolle auslaufen. Wenn wir ihn einfach freigeben, verwandelt er sich in ein willkürliches Wetterphänomen.
Das bedeutet, er könnte sich in gegenläufigen natürlichen Energien einfach wieder auflösen, oder er nimmt sie in sich auf und wird viel stärker, als wir es anfangs beabsichtigt hatten.«
»Und wo ist das Problem?«, fragte Jhered.
»Das Problem ist, dass wir ihn dann nicht mehr kontrollieren können«, sagte Ossacer, als wäre es das Einfachste der Welt. »Er könnte also auch abdrehen und uns selbst treffen. Das Wetter ist nun einmal unberechenbar und schwierig zu beherrschen.«
»Sei nicht so herablassend, junger Mann. Und halte mich nicht zum Narren. Ich weiß, dass Arducius das Wetter vorhersagen kann.
Deshalb konnten wir diese Überfahrt auch so schnell hinter uns bringen. Außerdem könntet ihr, wenn er herausfindet, dass sich der Sturm dreht, die Energien einfach wieder bändigen und auslaufen lassen. Trifft das nicht zu?«
Darauf folgte ein Schweigen, das Jhered sehr genoss. Er wartete noch eine Weile, ob jemand etwas sagen wollte.
»Also, wo ist das Problem?«
Arducius stieg von einem Fuß auf den anderen, während Ossacer die Decksplanken anstarrte – ein Reflex, den er beibehalten hatte, obwohl er nicht mehr sehen konnte.
»Wir sind nur noch drei«, sagte Arducius. »Wir können Ossie nicht bitten, die Energie für mich zu kanalisieren, weil wir wissen, was geschehen könnte. Wenn ich so viel Kraft dafür aufgewendet habe, einen so weit entfernten Sturm aufzubauen, der ihnen wirklich Schwierigkeiten macht, dann weiß ich nicht, ob ich noch die Kraft habe, ihn wieder aufzulösen, wenn er zu uns zurückkommt, selbst wenn Mirron mir hilft. Aber wenn Ihr wollt, werde ich es versuchen.«
Jhered lächelte und atmete erleichtert auf. Seine Frustration wich einer Art väterlichem Stolz.
»Ihr seid vielleicht Sargnägel«, sagte er. »Verbergt eure Ängste nicht vor mir. Ihr kennt mich doch inzwischen gut genug. Ich werde euch keinen Vorwurf machen, wenn ihr glaubt, ihr könntet versagen, und ich respektiere euer Wissen um eure Fähigkeiten und Kräfte. Wenn nicht anders, dann soll es eben so sein, und wir müssen einen anderen Weg finden, um zu vollbringen, was getan werden muss. Wir wollen sehen, wie nahe sie uns noch im Laufe des Nachmittags kommen. Wenn ihr etwas beisteuern könnt, solltet ihr allerdings nicht zu spät eingreifen, weil ihr sonst morgen zu nichts zu gebrauchen seid. Also denkt darüber nach, wann ihr euch einschalten und was ihr benutzen könnt.«
Er zauste Ossacers Haare und sah ihnen nach, als sie sich entfernten. Dann drehte er sich wieder zur Reling um und barg den Kopf in den Händen.
»Wir mussten sie aus dem Spiel herausnehmen, und wir mussten es sofort tun«, sagte er.
»Aber je näher die Feinde kommen, desto genauer können sie doch arbeiten«, erwiderte Kovan.
»Nein, du verstehst es nicht.« Jhered hob den Kopf und sah den jungen Vasselis an. »Nur wenn wir sehr großes Glück haben, werden die Schiffe, die sich aus dem Süden nähern, Schiffe der Konkordanz sein. Falls es feindliche Schiffe sind, müssen wir uns der Tatsache stellen, dass die Ocetanas uns nicht mehr rechtzeitig zu Hilfe kommen können. Zwei Flotten, die sich in zwei Richtungen bewegen? So klug der Windleser Arducius auch ist, er kann sie nicht alle aufhalten.«
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848. Zyklus Gottes, 18. Tag des Dusasauf
15. Jahr des wahren Aufstiegs
N och konnten sie das Tor halten. Sie hatten ihre Schilde, Steinplatten, Brustharnische und alles nur irgendwie Greifbare benutzt, um es gegen die bebenden Torflügel und den Rahmen zu stemmen, denn mehr war von der Festung im Grunde nicht mehr übrig. Die Bogenschützen trotzten der Gefahr und schossen auf unzählige Feinde, die
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