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Die Kinder von Estorea 02 - Der magische Bann

Titel: Die Kinder von Estorea 02 - Der magische Bann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Barclay
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während wir jeden Tag wachsen und dir besser dienen können. Du bist der Allwissende, wir sind deine Diener.«
    In stiller Andacht senkten sie einen Augenblick die Köpfe. Jeder war ganz bei sich und suchte nach seiner eigenen Stärke. Hell brannten ihre Lebenslinien in der stickigen Luft der Kabine. Die Energie der Welt ballte sich mit jedem Atemzug, mit jedem raschen Blick und mit jeder kleinen Berührung rings um sie zusammen. Arducius beobachtete Gorian, denn er wusste, warum Gorian nur widerstrebend betete. Er hatte den Glauben verloren, oder mindestens den Glauben daran, wo sein richtiger Platz in der Welt war.
    »Sagt mir einer nach dem anderen, was ihr heute Morgen seht. Mirron?«
    »Ich sehe die Energie der Sonne, die über uns die Luft erwärmt, und ich spüre die Kochfeuer in der Kombüse. Sie benutzen schlechten Brennstoff, der unruhig brennt. Ich könnte ihnen helfen, wenn du mich lässt.«
    »Vielleicht später. Ossacer?«
    »Bei mindestens der Hälfte der Matrosen sind die Energiefelder von einem grauen Schleier umgeben. Es ist eine Infektion, die um sich greifen könnte. Es wäre leicht, sie zu beheben, aber nicht einmal der Schiffsarzt weiß etwas davon. Niemand fühlt sich krank.«
    »Ist es gefährlich?«
    »Nein«, antwortete Ossacer. »Es ist wie eine Erkältung oder so etwas.«
    »Dann können wir es seinen Lauf nehmen lassen. Gorian?«
    »Ich sehe alles. Gibt es irgendetwas, das ich für diese sinnlose Übung besonders hervorheben soll? Arducius, wir können diese Reise für alle verbessern. Zugleich können wir ihnen vorführen, wozu wir imstande sind, welche Kräfte wir besitzen.«
    »Sollen sie uns fürchten?«
    »Nein«, erwiderte Gorian mit gerunzelter Stirn. »Sie sollen uns als das sehen, was wir wirklich sind. Hier unten sind wir Gefangene.«
    »Du hast gehört, was Kovan gesagt hat. Es ist ein kleines Schiff, und die Matrosen sind abergläubisch wie alle Seeleute. Es spielt keine Rolle, dass sie dem Marschall unterstehen. Auf See sind wir allein und in Gefahr.«
    »Ich habe keine Angst vor ihnen«, gab Gorian zurück.
    »Dann schenke ihnen wenigstens etwas Achtung«, sagte Arducius.
    Einen kleinen Augenblick, bevor Kovan anklopfte, drehten sie sich alle zur Tür um. Sie hatten ihn an der Art und Weise erkannt, wie seine Lebenslinien die Energien in ihrer Umgebung veränderten. Nur langsam hatten sie das begriffen. Zuerst hatte Arducius es einfach auf ihr gutes Reaktionsvermögen zurückgeführt. Einmal aber hatte er die Veränderung der Energien als wechselnde Farben vor seinem inneren Auge wahrgenommen. Da war ihm klar geworden, dass dies eine weitere Fähigkeit war, die ihnen nun zur Verfügung stand.
    »Komm rein«, sagte Ossacer.
    Kovan trat ein. »Kommt mit an Deck, bevor ihr beginnt. Das müsst ihr sehen.«
    »Was denn?«, fragte Arducius.
    »Die Insel Kester.«
    Sie folgten ihm durch die Gänge und über eine kleine Treppe bis zum leicht erhöhten Vordeck, auf dem die einzige Bailiste des Schiffs stand. Das kalte, tote Metall war beunruhigend, aber dieses Mal vergaßen sie es völlig, denn steuerbord voraus lag die Insel Kester, die Verteidigerin der Konkordanz, wie sie in der Schule gelernt hatten. Der Anblick verschlug Arducius den Atem.
    Die Nacht über hatten sie sich ihr genähert, und Kovan hatte darum gebeten, das Schiff möge nahe genug an ihr vorbeisegeln, damit sie einen guten Ausblick bekamen. Patonia hatte gelächelt, was selten genug geschah, und eingewilligt. Jetzt waren sie kaum mehr als eine halbe Meile von der Westküste entfernt. Die Schönheit und die Schrecken von Mensch und Natur, so hatte der Marschall die Insel beschrieben. Arducius hatte es damals nicht verstanden, aber jetzt begriff er es.
    Kester war ein Hunderte Meilen langer Brocken aus uraltem Fels. Im Süden ragten ihre Steilklippen mehr als zweitausend Fuß auf. Wenn im Dusas der Nebel kam, verloren sich die Spitzen oft in den Wolken, während unten die Wellen gegen den Stein schlugen. Die Legenden besagten, Gott habe einst, um seine Macht zu zeigen, einen Blitz gesandt, der das Land in zwei Teile gespalten hat. So seien die Klippen entstanden. Vater Kessian hatte die Ansicht vertreten, es sei wohl eher ein Vulkan unter der Meeresoberfläche oder ein Erdbeben gewesen. Arducius war nicht sicher, wem er glauben sollte.
    Es spielte auch keine Rolle. Sie waren bereits daran vorbei und hatten die Felsen gemieden, die jedes Boot daran hinderten, sich der Insel zu nähern. Im Westen waren die Klippen

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