Die Kinder von Estorea 02 - Der magische Bann
er. »Hier weiß niemand, wie ihr ausseht, falls die Kanzlerin nicht beschlossen hat, ein Risiko einzugehen und persönlich hierherzureisen. Ich möchte aber meinen guten Ruf darauf verwetten, dass sie es nicht getan hat. Ihr befindet euch auf einem Schiff der Einnehmer und in Gesellschaft des Schatzkanzlers. Glaubt mir, meine Anwesenheit allein reicht aus, damit die Leute den Blick abwenden. Leider werden euch aber eure Augen verraten. Sie unterscheiden euch von allen anderen Menschen, und ihr wisst ja, was euch blüht, wenn man euch für andersartig hält. Sobald wir von Bord gehen, ob wir nun eine Eskorte der Marschallin bekommen oder nicht, haltet ihr den Kopf unten. Meine Leute werden euch in die Mitte nehmen, aber trotzdem dürft ihr auf keinen Fall die Köpfe heben, bis ich sage, dass ihr es ungefährdet tun könnt. Wir dürfen nicht das Risiko eingehen, dass jemand euch bemerkt. Gerüchte reisen viel zu rasch, und ich habe nicht genug Schwerter, um euch zu beschützen.«
Auf Deck rief der Kapitän seine Befehle, während sich das Schiff dem Liegeplatz näherte. Auf der Mole herrschte ein reges Treiben, und das Wasser spritzte hoch, als die Ruder gegen die Fahrtrichtung bewegt wurden, um die Trireme abzubremsen und zu wenden. Jemand rief Jhereds Namen.
»Na gut. Wartet hier, bis ich euch nach oben hole.«
Eilig stieg er die Leiter hoch und trat wieder in den bewölkten Morgen hinaus. Auf der Mole warteten zwei Kutschen und ein offener Wagen. Alle waren mit den Farben von Gestern geschmückt: ein strahlend roter Hintergrund, auf dem zu beiden Seiten eines mit Schnee bedeckten Bergs zwei Löwen auf den Hinterbeinen standen. Es war eine Erinnerung an die Vergangenheit des Landes, das früher von Kark beherrscht worden war. Erfreut nickte er. Katrin Mardov erwartete sie persönlich; das lange braune Haar wehte um ihren Kopf.
»Ich hatte ja keine Ahnung, dass schon wieder meine Bücher überprüft werden«, rief sie.
»Vielleicht verschone ich dich dieses Mal, Marschallin.« Die Laufplanke knallte auf den Stein. Er wandte sich an einen Appros.
»Holt die Aufgestiegenen und achtet darauf, dass sie die Köpfe gesenkt halten.«
Dann eilte er im Laufschritt zur Mole hinunter. Nach der Seereise fühlte es sich seltsam an, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Er begrüßte die Marschallin mit einer förmlichen Ehrenbezeugung, die sie erwiderte. Mardov war eine der wichtigsten Stützen der Konkordanz. Gestern war unter der Regentschaft der Konkordanz förmlich aufgeblüht, und ihre Familie hatte sich hervorragend in das Reich eingefügt. Die große, schlanke Frau in mittleren Jahren genoss in ihrem eigenen Land wie in der Konkordanz große Achtung. Sie war eine Regentin, keine Soldatin, und besaß einen scharfen Verstand, den sie stets vortrefflich einzusetzen wusste. Jetzt musterte sie ihren Besucher mit warmen braunen Augen.
»Deine Botschaft klang recht geheimnisvoll, Paul«, sagte sie. »Und es kommt nicht oft vor, dass du eine Fracht herbringst. Erst recht keine wertvolle. Normalerweise nimmst du etwas mit.«
Jhered lächelte und wusste, wie gezwungen das aussah. »Der Krieg ändert vieles, nicht wahr?«
»Dann lade ab. Was hast du denn? Wenn es zu viel ist, kann ich noch weitere Wagen kommen lassen.«
»Es sind Menschen, Katrin. Fünf insgesamt.« Er hob eine Hand. »Vertrau mir. Bringe uns in deinen Palast, und dann erzähle ich dir alles.«
10
848. Zyklus Gottes, 8. Tag des Solasab
15. Jahr des wahren Aufstiegs
Z wei Tage nachdem Roberto die Furten von Scintarit überquert und sich nach Süden gewandt hatte, um an der Toursanischen Seenplatte entlang nach Süden zu marschieren, stieß Pavel Nunan, der Schwertmeister der Zweiten Legion, zu ihm. Am Spätnachmittag war er, hinter einem von Keils dreißig Kavalleristen sitzend und begleitet von Robertos Vorposten, ins Lager geritten.
Kell hatte ihn ausgiebig umarmt und persönlich zu Robertos Zelt geführt, wo sie die weiteren Schritte planen wollten.
Roberto stand auf, als Nunan salutierte, dann wies er ihm zwischen seinen Kommandanten einen freien Stuhl zu. »Setzt Euch, setzt Euch«, sagte er, »und nehmt Euch etwas zu essen.«
»Danke, General«, erwiderte der Gosländer mit dem markanten Gesicht.
Roberto betrachtete ihn nachdenklich. Seine Bewegungen verrieten noch die Nachwirkungen der Schulterverletzung, und seine Rüstung war mit Flicken übersät. Doch sein Brustharnisch und sein Helm waren poliert und in ausgezeichnetem
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