Die Kinder von Estorea 02 - Der magische Bann
Atreska vorzudringen. Die Grenzfestungen, an denen sie vorbeikamen, standen offensichtlich schon seit geraumer Zeit leer. Es tat gut, wieder auf Boden zu laufen, der ihrer Ansicht nach der Konkordanz gehörte. Nunan hatte seine Truppe aufgerufen, ruhig zu bleiben.
Er war dankbar für das anhaltende warme Wetter, aber trotzdem sehnten er und alle Bürger, die ihm folgten, sich auch nach einer warmen Mahlzeit und einem guten Trunk. Viel zu lange hatten sie sich von getrocknetem und geräuchertem Fleisch und Kräuteraufgüssen aus zerstoßenen Blättern ernährt. Die Notwendigkeit, im Dunklen zu lagern, um nicht entdeckt zu werden, war auf die Dauer ermüdend.
Es war still im Lager, und Nunan saß mit Kell auf einem umgestürzten Baum im Wald, der sich als ausgezeichneter Unterschlupf für die Nacht angeboten hatte. Die Pferde waren in der Nähe angepflockt. Er hörte das leise Wiehern, als sie sich auf die Nachtruhe einstellten.
»Wir müssen in der Nähe von Gullford den Fluss überqueren, damit wir nicht zu weit nach Norden kommen. Die Tsardonier und die atreskanischen Rebellen kämpfen sich vermutlich zur Grenze an der neratharnischen Südküste durch. Das ist der einzige Punkt, an dem man mit einer solchen Streitmacht hinübergelangen kann, und dort werden sich auch die Truppen der Konkordanz sammeln, um die Feinde zu vertreiben.«
Nachdem ihre Augen sich umgestellt hatten, kratzte Kell im hellen Mondlicht Linien in den Sand.
»Glaubst du, auch Gesteris geht dorthin, falls er noch lebt?«, fragte Nunan.
»Mir fällt keine bessere Stelle ein. Inzwischen dürfte ihm die Lage in Atreska genau bekannt sein, und ich kann mir nicht vorstellen, dass er eine Art Partisanenkrieg führen würde. Das liegt ihm nicht. Er und die Leute, die noch bei ihm sein mögen, werden versuchen, an einem passenden Ort eine ordentliche Schlacht zu schlagen und den Feind aufzuhalten. Es muss Neratharn sein. Wir haben alle die Geschichten darüber gelesen, wie schwer es für uns war, auf diese Weise nach Atreska vorzustoßen. Wollen wir hoffen, dass für die Gegenrichtung das Gleiche gilt.«
Nunan lächelte. »Vielleicht werden sie auch übers Meer fahren wie wir.«
»Glücklicherweise ist die atreskanische Marine nicht groß genug, und die Tsardonier haben überhaupt keine Schiffe im Tirronischen Meer. Außerdem sind die Ocetanas immer bereit.«
»Es könnte dort recht interessant werden«, meinte Nunan.
»Ganz sicher.«
Ihre Unterhaltung wurde durch eine kurze Unruhe und einige im Zorn geflüsterte Worte unterbrochen. Schritte näherten sich, und ein Mann in einem leichten Mantel mit einer Tunika und Sandalen wurde in ihren Kreis gestoßen. Ringsum hoben einige Kämpfer die Köpfe, um den Neuankömmling zu betrachten. Zwei Späher standen mit Klingen in der Hand hinter ihm.
»Wie könnt ihr es wagen, mich so zu behandeln«, fauchte der Mann. Er hatte einen wilden Blick, fiebrig und gehetzt. »Dies ist mein Land, ihr habt nicht das Recht dazu.«
Nunan legte einen Finger auf seine Lippen. »Einen Moment«, sagte er. Dann wandte er sich an die Späher. »Was hat das zu bedeuten?«
»Er ist da hinten auf dem Weg marschiert und wollte allem Anschein nach zur Grenze. Er sagte, er wolle in Tsard seine Frau und seinen Sohn suchen.«
»Ganz allein?«, fragte Kell. »Das ist eine gefährliche Gegend für einen unbewaffneten Mann. Und wenn es dir nichts ausmacht, du hast für den Dusas auch nicht die richtigen Schuhe.«
Die vier Soldaten der Konkordanz kicherten. Der Mann richtete sich vor Nunan auf und klopfte den Staub aus seinen Kleidern.
»Lacht nicht über mich, das verdiene ich nicht. Nicht von euch. Nicht von der Konkordanz.«
Nunan sah ihn mit erwachendem echtem Interesse an. »Woher kommst du? Deiner Kleidung nach zu urteilen aus der Nähe.«
»Den letzten Mann, der mich auslachte, habe ich getötet. Er war ein Tsardonier, aber vielleicht seid auch ihr meine Feinde. Allmählich denke ich, dass jeder mein Feind ist.«
»Er ist verwirrt.«
»Ich musste fort. Niemand will mir helfen, deshalb helfe ich mir selbst.« Er streckte die Hände aus. »Ich sage die Wahrheit. Lasst mich gehen.«
Nunan betrachtete seine Hände. Sie waren schmutzig und fleckig.
»Soll ich dir glauben, dass das Blut ist? Ich frage dich noch einmal: Woher kommst du? Wir werden dir nichts tun.«
»Aus Gullford.«
Kell zog die Augenbrauen hoch, und Nunan lächelte. »Hole diesem Mann etwas zu trinken und zu essen«, befahl er einem Späher.
»Setz
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