Die Kinder von Estorea 02 - Der magische Bann
dich. Ich bin Pavel Nunan, der Schwertmeister. Das hier ist Dina Kell, die Rittmeisterin.«
Der Mann wusste nicht recht, wie er darauf reagieren sollte. Er sah sich suchend um und fand einen Holzklotz, den ein Legionär für ihn herbeigerollt hatte. Er lächelte nervös.
»Nun mach schon«, sagte Kell. »Setz dich endlich. Vielleicht können wir dir sogar etwas Besseres geben als die Sandalen da.«
»Wollt ihr mir helfen?«
»Wir helfen jedem, der Tsardonier tötet. Dadurch sind wir doch Verbündete, oder nicht?«, fragte Kell.
»Aber zuerst müssen wir Informationen austauschen«, sagte Nunan. »Erzähle mir etwas über Gullford und besonders über die Möglichkeiten, den Fluss zu überqueren. Dann können wir vielleicht auch dir einen Rat geben und dich vielleicht sogar von deiner Reise abhalten. Wie heißt du?«
»Ich bin Han Jesson, und nichts kann mich davon abhalten, meine Familie zu suchen.«
»Das kann ich respektieren«, erwiderte der Offizier. »Nun sage mir: Dieser Tsardonier, den du getötet hast, wer war das?«
»Er war der Sentor der Garnison, die mein Dorf besetzt hat«, erklärte Jesson. »Er hat die Erinnerung an meine Frau besudelt. Ich fand ihn betrunken auf der Straße, als ich aufbrach, und jetzt steckt mein Messer in seinem Bauch.«
Nunan entging nicht, dass Jessons Hände zitterten.
»Hast du noch nie zuvor einen Menschen getötet?«
Jesson schüttelte den Kopf. »Ich habe bisher nicht einmal die Faust gegen jemanden erhoben, und jetzt bin ich ein Mörder.«
»Wenn dich dein Gewissen quält, können wir dich ja hinrichten lassen«, sagte einer der Späher, der mit einem Teller voll kaltem Essen kam.
»He«, ermahnte Nunan ihn. »Das reicht jetzt.«
»Danke«, sagte Jesson.
»Wie viele Tsardonier sind dort?«, wollte Nunan wissen.
»Höchstens zweihundert«, erwiderte Jesson. Als er Nunans Miene bemerkte, hellte sich seine eigene auf. »Ihr wollt der Stadt also nicht ausweichen?«
Nunan schüttelte den Kopf. »Wo ist die nächste tsardonische Garnison?«
»Tut den Einwohnern nichts. Sie haben die Tsardonier hereingelassen, aber sie hatten keine Wahl. Sie verstehen es nicht.«
»Wo stehen die nächsten tsardonischen Truppen?«
»Sie sind an vielen Orten stationiert, aber die meisten gehen nach Neratharn oder besetzen Haroq. Auf der Großen Ebene gibt es Widerstand, dem sie aber ausgewichen sind. So habe ich es jedenfalls gehört.« Jesson rutschte nervös hin und her. »Tut meinen Freunden nichts an.«
Nunan zuckte mit den Achseln. »Wir werden uns bemühen. Wenn es aber Sympathisanten gibt, dürfen wir sie nicht am Leben lassen. Sieh dich nur an, wo du jetzt bist. Die Tsardonier laufen in deiner Stadt herum.«
Jessons Miene verdüsterte sich wieder. »Niemand war ein Sympathisant, bis die Konkordanz sich gegenüber unseren Bitten um Hilfe taub gestellt hat. Ihr habt es euch selbst zuzuschreiben. Wir sind die Opfer.«
Nunan hob beschwichtigend die Hände. »Immer mit der Ruhe, Han Jesson. Dies ist nicht der Ort, deine Kümmernisse vorzutragen, so berechtigt sie deiner Ansicht nach auch sein mögen. Niemand würde es verstehen.«
Jesson beruhigte sich ein wenig. »Sie sind keine Sympathisanten«, sagte er leise. »Sie hatten keine Wahl.«
»Die meisten Leute, die hier im Wald schlafen, waren früher brave Bürger, genau wie du und die Einwohner von Gullford. Sie haben gelernt zu kämpfen.« Er stand auf und baute sich vor Jesson auf. »Es gibt immer eine Wahl.«
Er entfernte sich, um sich schlafen zu legen, und überließ es Kell, dem Mann zu erklären, warum sein Vorhaben dumm war. Morgen. Morgen würden Gesteris* Rächer zum ersten Mal das Blut der Feinde kosten.
Arducius behielt den Kopf unten, zog die Schultern hoch und vertraute darauf, dass sein Maultier den richtigen Weg fand. Der Wind heulte durch das Tal und trieb ihnen Hagelkörner und Schnee in die Gesichter. Die Böen drohten sie von den Reittieren zu werfen, drangen sogar bis unter die Pelze und kühlten den Körper aus.
Der Schnee unter den Hufen des Maultiers war mindestens einen Fuß hoch und bedeckte eine Eisschicht, auf der es oft ausrutschte, was Arducius’ Magen jedes Mal einen Bocksprung vollführen ließ.
So sehr er es auch versuchte, Arducius schaffte es nicht, den Blick nach vorn oder auf den Kopf seines Maultiers zu richten. Jedes Mal, wenn er links den Steilhang hinunterblickte, wurde ihm übel, und in seinem Kopf drehte sich alles. Am Morgen hatte Jhered erklärt, dass sie jetzt in
Weitere Kostenlose Bücher