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Die Kinderhexe

Die Kinderhexe

Titel: Die Kinderhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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Freund und sehr gescheit. Er hat weniger mit dem Teufel gemein als der Bischof oben in seiner Burg.»
    Dann schnitt sie ein Stück Fleisch ab und reichte es dem Raben. Eine derartige Verschwendung hatten die Kinder noch nie zuvor gesehen.
    Otto lief das Wasser im Mund zusammen. «Du willst doch nicht den gesamten Leckerbissen an das Vieh verfüttern?»
    Kathi schaute sich in der Runde um. Es war noch nicht lange her, dass sie einen ebenso leeren Magen gehabt hatte wie Otto, Barbara und Volkhardt jetzt. Mit Blick auf Kolk fällte sie ein gerechtes Urteil.
    «Einen Batzen für dich, der Rest für uns.»
    Kolk schnappte gierig zu. Den anderen Teil reichte sie Otto.
    «Ich sorge für Holz und Feuer», sagte Volkhardt und rannte zum Marktplatz. «Bin gleich wieder zurück.»
    Kathi wartete, bis er hinter den Palisaden verschwunden war. «Ihr traut ihm wirklich?»
    Ursula beruhigte sie. «Er hat Essen und Medizin gestohlen, als ich krank war. Ohne ihn wäre ich in den Straßen zugrunde gegangen. Ich bin nicht die Einzige, die ihm ihr Leben verdankt. Wer seine Eltern verloren hat und nicht ins Kinderhaus aufgenommen wurde, hat sich ihm angeschlossen. Sie nennen sich die Schwarzen Banden, und er ist ihr Anführer.»
    «Außerdem», fügte Barbara hinzu, «weiß er, was in Würzburg vor sich geht.»
    Kathi merkte auf. «Was weiß er?»
    «Er sagt, in einem Dorf unweit vom Wohnort seiner Familie haben Kinder schon einmal Erwachsene der Hexerei bezichtigt. Viele Erwachsene, aber auch Kinder starben dadurch. Nur wenige überlebten, und er ist einer von ihnen.»
    Volkhardt kam mit Brennholz ans Ufer zurück.
    Gemeinsam entfachten sie Feuer, teilten das Fleisch unter sich auf und genossen den unerwarteten Leckerbissen. Während die anderen aßen, band Kathi Kolk ein weißes Band um den Fuß, damit sie ihn künftig besser erkennen konnte.
    «Cornelius Grimm hat bereits beim Anblick der Daumenschrauben gestanden», sagte Otto mit vollen Backen. «Ein Folterknecht hat es erzählt, als er wegen eines neuen Feuerhakens in die Schmiede kam.»
    Kathi war nicht überrascht, wenngleich ihr bei dem Gedanken nicht wohl zumute war, ihn in den Folterkeller gebracht zu haben. Dann aber sagte sie sich, dass er keineswegs unschuldig war. Er hatte als Erster die Klage gegen Babette erhoben. Es war nur ausgleichende Gerechtigkeit, wenn er jetzt für seine todbringende Lüge bestraft wurde.
    Volkhardt ließ Kathi nicht aus den Augen. Obwohl er die Wahrheit nicht kannte, schien er doch mehr zu wissen, als ihr lieb war.
    «Der Stadtrat Bauth war da schon aufsässiger», erzählte Otto weiter. «Er beteuerte seine Unschuld bis auf die Streckbank und warf Dürr vor, auf das Geschwätz eines Kindes hereingefallen zu sein. Doch Dürr kannte kein Erbarmen. Er ließ ihn für die Frechheit aufziehen.» Sie hatten ihm also die Hände auf den Rücken gebunden und ihn mit einem Seil an den Händen hochgezogen, Kathi schauderte. «Eine ganze Stunde soll er durchgehalten haben, aber dann gestand auch er.»
    «Die eitle Hortensia Paulus hatte nicht so viel Glück», berichtete Barbara. «Sie muss Dürr schon länger ein Dorn im Auge gewesen sein. Schließlich ist sie ja eine gute Freundin seiner Mutter. Er wollte sich keine Bevorzugung vorwerfen lassen und hat sie gleich zur Wasserprobe geschickt. Drüben an der Mainbrücke haben die Knechte sie ins Wasser herabgelassen, ein ums andere Mal. Geschwommen ist sie natürlich nicht, die feiste Kuh. Aber das machte keinen Unterschied. Dürr ließ ihr die Halskrause anlegen. Schmuck ist sie ja gewöhnt.»
    «Hat sie dann gestanden?», fragte Kathi.
    «Schlimmer», antwortete Otto. «Der Folterknecht hat gesagt, sie habe Dürrs Mutter bezichtigt, wohl in der Hoffnung, dass er dann von ihr ablässt.»
    «Sie hat Dürrs Mutter besagt?», erwiderte Kathi. «Unvorstellbar. Wie hat er darauf reagiert?»
    «Er soll noch bleicher geworden sein, als er ohnehin schon ist. Hat dem unverschämten Weibsbild die Schädelschraube angedroht, wenn sie nicht auf der Stelle widerruft.»
    «Hat sie es getan?»
    Otto lächelte. «Der Folterknecht sagt nein. Vertuschen konnte er es im Beisein der Knechte natürlich nicht mehr. Und jetzt steckt er ganz schön in der Klemme.»
    Das war eine unfassbare Nachricht. Einer der gefürchtetsten Hexenjäger, den die Stadt jemals gesehen hatte, sollte eine Hexe zur Mutter haben? Das setzte dem Ganzen die Krone auf. Man durfte gespannt sein, wie der Bischof darauf reagierte.
    Von den anfänglich vier

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