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Die Kinderhexe

Die Kinderhexe

Titel: Die Kinderhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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verlorengegangenes Stück Fleisch zurückerobert? Er war nirgends zu sehen. Entweder war es ihm gelungen, oder er hatte aufgegeben. Als sie sich wieder Ursula zuwandte, sah sie für einen kurzen Moment etwas Schwarzes auf sich zufliegen.
    Ursula reagierte schneller. «Vorsicht!», rief sie und duckte sich.
    Zu spät für Kathi. Sie spürte nur noch, wie die Krallen ihre Stirn streiften und ihr Kopftuch mit sich rissen. Schützend hielt sie die Hände über den Kopf.
    «Hat er dich erwischt?», fragte Ursula, die sich rasch in Sicherheit gebracht hatte.
    Der Rabe hatte es zwar geschafft, Kathi das Tuch vom Kopf zu ziehen, aber er hatte es nicht weit entfernt wieder zu Boden fallen lassen. Er selbst kreiste in der Luft, und es schien, dass der Angriff noch nicht vorüber war.
    «Komm, weg hier», rief Ursula.
    Kathi folgte ihr. Gerade noch rechtzeitig, denn der Rabe kam zurück. Allerdings interessierte er sich nicht mehr für die Mädchen, sondern für das weiße Stück Stoff am Boden. Er landete neben ihm, blickte sich um, als wolle er sich der Zuschauer vergewissern, und nahm eine Ecke des Tuchs in den Schnabel. Wie man eine Decke hinter sich herzieht, schleifte er Kathis Kopftuch zu der Stelle, an der das Fleisch im Wasser gelandet war. Dann hüpfte er auf die schmale Reling des Bootes und krächzte zu ihnen herüber.
    «Was hat er vor?», rätselte Ursula.
    Diese unglaubliche Frechheit brachte Kathi zum Schmunzeln. Eigentlich konnte das nur einer wagen. Sie lief zu ihm hinüber und schaute nach seinem Bein, das sie vor einigen Tagen mit der Heilsalbe behandelt hatte. Der Schorf war verschwunden, nur das Gefieder war noch nicht nachgewachsen und die Wunde noch nackt.
    «Kolk», sagte Kathi, «was fällt dir ein? Du hast meiner Freundin und mir Angst gemacht.»
    Kolk schaute sie mit seinen schwarzen Augen an und krächzte erneut.
    «Du willst, dass ich deine Beute aus dem Wasser fische?»
    Er legte den Kopf schief, was vermutlich so viel wie ja bedeutete.
    «Du bist ein Gauner, weißt du das?»
    Sie suchte nach einem Stock oder etwas Ähnlichem, der für die Wassertiefe ausreichte. In einem der Boote fand sie einen mit einem Haken an der Spitze. Der war bestens dafür geeignet, einen Fisch aus dem Wasser zu ziehen. Sie stocherte damit zwischen den schwankenden Booten herum, bis sie das Fleisch zu fassen bekam.
    «Hier ist es», sagte sie und legte es auf die Reling. «Guten Appetit.»
    Kolk ließ sich das nicht zweimal sagen. Der Klumpen Fleisch war für seinen Schnabel allerdings viel zu groß, und so knabberte er mehr daran, als dass er etwas abbeißen konnte. Weitere Hilfe war nötig.
    «Ein Messer wäre gut.»
    Im Boot war nichts zu finden. Aber das war auch gar nicht länger notwendig, denn Ursula kam in Begleitung auf sie zu. An ihrer Seite gingen Otto, Barbara und ein unbekannter Junge, größer und schmutziger als die, die sie kannte.
    «Du hast uns gefehlt», sagten Barbara und Otto. Sie nahmen sie in den Arm.
    «Ihr mir auch», antwortete sie, die Augen auf den unbekannten Jungen gerichtet.
    Ursula schien durch seine Anwesenheit keinesfalls besorgt zu sein. «Darf ich vorstellen», sagte sie, «das ist Volkhardt von Hohenstätt, Anführer der Schwarzen Banden. Ohne ihn wäre ich schon längst tot.»
    Und wie es sich für einen Sohn aus gutem Haus wohl gehörte, deutete er eine Verbeugung an. «Ich freue mich, dich kennenzulernen. Ursula hat viel von dir erzählt.»
    Der Junge war Kathi nicht geheuer.
    «Du kannst ihm vertrauen», sagte Otto, der Kathis Bedenken spürte. «Am Anfang hatte ich auch Zweifel. Aber Ursula hat recht: Er ist einer von uns.»
    «Ich stamme aus dem Haus von Hohenstätt in der Nähe von Heilbronn», sagte er, «und glaube mir, ich weiß sehr wohl, welches Schicksal ihr teilt.»
    «Wie will ein Adliger wissen, wie es uns geht?», hielt ihm Kathi entgegen.
    «Seitdem mir die Eltern und der Besitz genommen wurden, geht es mir keinen Deut besser als euch. Ich lebe von Abfällen und Diebstählen. Auf meiner Flucht habe ich mich nach Würzburg retten können. Hätte ich geahnt, dass mich hier ein noch schlimmeres Los erwartet als beim Vagabundieren, hätte ich um diese Hölle einen weiten Bogen gemacht.»
    Das konnte sie verstehen, wenn es auch rätselhaft klang.
    Kolk interessierte das nicht. Er krächzte und erinnerte Kathi an sein Beutestück.
    «Hat jemand ein Messer dabei?», fragte sie.
    Volkhardt reichte ihr seines. «Willst du das Teufelsvieh damit aufspießen?»
    «Kolk ist mein

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