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Die Kinderhexe

Die Kinderhexe

Titel: Die Kinderhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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Henriette.
    «Du bist ein Teufel», wetterte Lene, «ein widerwärtiger und verdorbener Knecht alles Bösen. Ich habe dich am Schalksberg gesehen, wie du Kindern den Hals abgeschnitten und sie im Kessel gekocht hast.»
    Und Lotti fügte hinzu: «Der Teufel hat in dir seinen größten Helfer gefunden. Wer könnte besser eine Flugsalbe aus den Leibern unschuldiger Kinder kochen als du, der Apotheker des Teufels? Die Hexen kommen nachts zu uns, um bei dir, dem Meister der Giftmischerei, in die Lehre zu gehen.» Sie spuckte ihm vor die Füße. «Pfui, du Helfer und Knecht des Herrn der Hölle. Sei verflucht.»
    Grein stockte der Atem, und den herumstehenden Bürgern erging es nicht anders. Grein, ein Giftmischer und Gehilfe des Teufels? Es war kaum vorstellbar, schließlich war er einer der angesehensten Bürger der Stadt, der selbst vom Bischof und seinen Kommissaren ins Vertrauen gezogen wurde. Was die Kinder da von sich gaben, war krankhafter Wahn. Wenn jemand des Teufels war, dann sie.
    Bevor die Stimmung vollends kippte, musste etwas geschehen.
    «Es stimmt, was die Töchter des Apothekers berichten», schaltete sich Kathi ein. Sie trat vor die Menge. «Letzte Nacht, als ich friedlich unter dem Kreuz der seligen Brüder von Neumünster eingeschlafen war, hörte ich die Hexe Babette erneut nach mir rufen. Sie ritt draußen vor den Mauern des Klosters auf ihrem Besen. Sie rief mich zu sich, und sosehr ich mich auch dagegen sträubte, ich musste den Worten meiner alten Amme folgen. Sie befahl mich auf ihren Besen, und zusammen fuhren wir hinauf zum Schalksberg. Dort oben, unter Hexen, Zauberern und Unholden, sah ich ihn, Meister Grein, wie er am Kessel stand.»
    Ein Raunen ging durch die Menge.
    «Er hatte den Arm eines Kindes in der Hand und rührte damit den Sud, den er aus den Gebeinen anderer Kinder gewann. Er sah mich nicht kommen, zu sehr war er in seinem Teufelswerk gefangen. Es warteten an die zwei Dutzend Hexen auf das Elixier, mit dem man die Flugsalbe zubereitet. Ohne diese Zaubersalbe gibt es nachts kein Ausfahren, ohne sie sind die Hexen zahnlos wie die alten Weiber, und ohne sie müssen sie wie eine Schlange im Dreck kriechen. Beeilen soll er sich, riefen ihm die Hexen zu. Drunten, in der Stadt, warte viel Arbeit auf sie. Die Kinder müssten schnell eingefangen werden, bevor unser hochwürdiger Bischof und seine Hexenkommissare ihnen auf die Spur kämen …»
    Sie zeigte auf den fassungslosen Grein.
    «Ruft die Stadtknechte, damit sie diesen Zauberer und Giftmischer gefangen nehmen. Wartet keinen Augenblick länger. Ich weiß, dass er über ein Pulver verfügt, das ihn unsichtbar machen kann. Ergreift ihn, bevor er vor unser aller Augen verschwindet und zu seinem Meister, dem Satan vom Schalksberg, auffahren kann.»
    Wenn die Bürger zuvor Grund gehabt hatten, an den Vorwürfen von Lene und Lotti zu zweifeln, dann hatten sie jetzt die Gewissheit, dass die Mädchen die Wahrheit sprachen. Kathi stand unter dem Schutz von Neumünster und besaß das Vertrauen der Hexenkommissare. Sie war die Erste, die auf den Schalksberg entführt worden und unbeschadet zurückgekehrt war. Wenn man jemandem trauen konnte, dann ihr.
    Zwei starke Knechte des Wagenmachers gingen auf Grein zu. Doch so schnell würde er sich nicht gefangen nehmen lassen, und schon gar nicht auf die Aussage dieser verschlagenen Kleinen hin. Der Zorn stieg wieder in ihm auf, nur dieses Mal doppelt und dreifach. Mit dem Feuerhaken in der Hand stürmte er auf sie zu.
    Eigentlich hätte Kathi wissen müssen, wie Grein auf diese Worte reagieren würde. Oft genug hatte sie seine Wutausbrüche erlebt. Aber genauso oft hatte sie die Unterweisung widerstandslos über sich ergehen lassen müssen, Flucht war niemals ein Ausweg gewesen. Das sollte sich jetzt rächen. Unfähig, im rechten Moment davonzulaufen, stand sie da und schloss die Augen.
    Sie sah den Feuerhaken nicht kommen, hörte aber, wie er dumpf auf Knochen traf.

[zur Inhaltsübersicht]
    22
    Des Steinmetzen jüngste Tochter Thea, des Tuchmachers zweiter Sohn Karl, die Bettelkinder Lennart, Frieda, Hanns und Gertrud – sie alle hatten an diesem Morgen Eltern, Verwandte, Lehrer, Nachbarn und Rivalen des Pakts mit dem Teufel bezichtigt.
    Hinzu kamen die vier Schüler von Stift Haug, die von ihrem Lehrer, Vikar Franziskus, angeblich dem Teufel zugeführt worden waren. Sie gaben nicht eher Ruhe, bis er aus ihrer Nähe entfernt worden war. Danach fielen sie in einen rätselhaften, todesgleichen

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