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Die Kinderhexe

Die Kinderhexe

Titel: Die Kinderhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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kehrte Leben in den Saal zurück. Niemand konnte ernsthaft geglaubt haben, dass die Kinder nach diesem ereignisreichen Tag einfach die Augen schließen und einschlafen würden. Dafür gab es viel zu viel zu erzählen, was in Anwesenheit der Erwachsenen nicht möglich war. Einer nach dem anderen setzte sich von seiner Strohmatte auf und nahm das Bienenwachs aus den Ohren. Ob sie damit dem Ruf der Hexen verfielen, kümmerte sie nicht.
    Sie mussten erst einmal austauschen, was sie und die anderen Kinder auf ihrem Flug zum Schalksberg erlebt und wie sie die Fähigkeit entwickelt hatten, eine Hexe überhaupt zu erkennen. Vor kurzem war das noch nicht möglich gewesen, da waren sie genauso blind und taub gewesen wie die Erwachsenen. Was hatte sich verändert?
    Der Junge aus Heidingsfeld führte seine neugewonnene Gabe auf einen Zaubertrank zurück, den ihm seine Muhme bei Vollmond verabreicht hatte. Er war lange Zeit krank gewesen, mit Husten und Fieber, doch als der Trank zu wirken begann, wurde er mit jedem Tag kräftiger. Dann, eines Nachts, kam eine Hexe zu ihm ans Fenster und forderte ihn auf, ihr zu folgen. Also war er auf den Schalksberg gegangen, wo sich Unholde, Hexen und Zauberer ein Stelldichein gaben. Gar lustig sei es dort zugegangen, viel getrunken und gegessen habe er, getanzt, gespielt und auch mit einem Weib gebuhlt. Die sei ganz zart mit ihm umgesprungen und habe ihm noch mehr versprochen, wenn er dem Christus abschwöre und dafür dem Teufel seine Seele verspräche.
    «Und?», fragte ihn sein Bettnachbar ungeduldig, «hast du es getan?»
    «Nein, natürlich nicht. Aber dafür habe ich die Fähigkeit bekommen, eine Hexe zu erkennen.»
    «Das ist doch gar nichts», meldete sich ein Junge zu Wort, der mit seinen drei Freunden zu der Gruppe aus Stift Haug gehörte.
    «Ich habe den Drudentanz von einem Spielmann des Teufels gelernt. Damit kann ich zaubern, wie ich will, und jede Hexe erkennen, selbst wenn sie als die Heilige Mutter Maria daherkommt.»
    «Angeber», widersprach Benedikt, der auf die Schüler aus dem Stift Haug offenbar nicht gut zu sprechen war. «Mit deiner Tollerei kannst du nicht einmal einen Narren erkennen, außer dir selbst.»
    Die anderen drei erhoben sich. Wenn einer der ihren angegriffen wurde, bekam er es mit der ganzen Bande zu tun.
    «Wer bist du, Schweinehirt, dass du behauptest, wir lügen?»
    «Ich bin schlau genug, um nicht auf euren Mummenschanz hereinzufallen. Ihr wart nie auf dem Schalksberg gewesen.»
    «Ach ja?»
    «Nein, denn sonst hätte ich euch dort gesehen.»
    «Du bist ein Lügenbold und Scharlatan. Komm doch her, wenn du dich traust.» Er ballte die Fäuste.
    Kathi lag am Ende der Reihe auf ihrer Strohmatte und starrte in das Halbdunkel des Saals. Die Hahnenkämpfe der Jungen interessierten sie nicht. Sie hing noch dem Vorfall mit Meister Grein auf dem Marktplatz nach.
    An ihrer Seite lag Ursula. Sie beobachtete Kathi schon eine Weile.
    «Was ist mit dir?», fragte sie besorgt.
    Kathi seufzte. «Ich verstehe nicht, wieso Henriette das gemacht hat.»
    «Sie hat dir das Leben gerettet. Ich habe es genau gesehen.»
    «Warum aber mir? Lene und Lotti waren in Gefahr.»
    Ursula dachte eine Weile nach. «Vielleicht warst du wie ein Kind für sie, wie ein drittes.»
    Kathi erinnerte sich an den Vorfall, als ihr die teure venezianische Retorte in der Apotheke zu Boden gefallen und in tausend Splitter zerbrochen war. Statt sie anzuschwärzen, hatte Henriette sich auf ihre Seite geschlagen. Kathi hatte sich nie gefragt, wieso sie das getan hatte. Nun hatte sie sich abermals zwischen sie und Grein gestellt und dafür mit dem Leben bezahlt.
    Tränen traten ihr in die Augen.
    «Nicht weinen», sagte Ursula und schmiegte sich an sie. «Es geht ihr jetzt bestimmt besser.»
    «Sie ist wegen mir gestorben», antwortete Kathi. «Nur weil ich den Mund nicht halten konnte. Hätte ich mich mit dem Gerede über Hexen und Teufel nicht eingemischt, wäre sie noch am Leben.»
    «Unsinn, dann hätte Meister Grein zuerst Lene und Lotti und danach Henriette erschlagen. Du hast nichts falsch gemacht. Ich wünschte, ich hätte so viel Mut wie du.»
    Kathi schluchzte. «Ich bin an all dem Unglück schuld.»
    Ursula setzte sich auf.
    «Das stimmt nicht, hörst du? Schau dich doch nur um. Jeder von uns hat dir sein Leben zu verdanken. Ohne dich würden wir immer noch Prügel beziehen, hungern und mit Angst vor dem nächsten Tag zu Bett gehen. Jetzt aber wagt es niemand mehr, uns zu schlagen, wir

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