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Die Kinderhexe

Die Kinderhexe

Titel: Die Kinderhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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Schlaf. Bruder Hieronymus, der der Medizin kundig war, stellte eine niedrige Körpertemperatur und eine schwache Atmung an ihnen fest. In Decken gewickelt und mit heißem Arzneitee versorgt, erholten sie sich bis zum Anbruch der Abendstunden.
    Der siebenjährige Junge aus Heidingsfeld, der in der Domstraße von seiner Muhme verzaubert zurückgelassen worden war, konnte nach einer kräftigenden Mahlzeit wieder auf eigenen Beinen stehen. Er hatte über fünf Stunden lang kein Gefühl darin gehabt. Sein übriger unkontrolliert zitternder Körper hatte sich allerdings schon mit der Gefangennahme seiner hexerischen Muhme beruhigt.
    Zu diesen elf Kindern gesellten sich Lene und Lotti, die in den Morgenstunden ihren Vater bezichtigt hatten. Ihre Mutter Henriette war nach dem Vorfall auf dem Marktplatz ins Juliusspital gebracht worden, wo nur noch ihr Tod festgestellt werden konnte. Die beiden Wagenknechte hatten nicht mehr rechtzeitig eingreifen können. Für alle blieb es ein Rätsel, wieso Henriette sich vor Kathi gestellt hatte. Vielleicht wollte sie auch nur den Schlag abwehren. Wer konnte das in dieser Situation schon richtig deuten. Jedenfalls hatte sie mit dem Leben bezahlt. Kathi musste ihr sehr am Herzen gelegen haben.
    Die Tragödie war ein weiterer Beweis, dass man selbst den angesehensten Bürgern nicht mehr trauen konnte. Was war nur in Grein gefahren? War er wirklich des Teufels?
    Kathi hatte ihn durchschaut, leider zu spät für Henriette. Jetzt schmorte Grein im Loch vom Grünenbaum, und schon bald würden sich die Hexenkommissare seiner annehmen. Man durfte gespannt sein, welche Schandtaten noch ans Licht kamen.
    Die Kinder, über die an diesem Morgen so viel Leid gekommen war, waren auf Anweisung des Bischofs in die Obhut des Kinderpfarrers Ludwig gegeben worden. Er sollte gemeinsam mit ihnen beten und sie im festen Glauben bekräftigen, damit sie keine Opfer des Teufels mehr werden konnten.
    So war Ludwigs Gemeinde binnen eines Tages von sechs auf knapp zwanzig Kinder angewachsen. Der unerwartete Zuwachs erfüllte ihn mit Stolz. Er empfand es als Bestätigung seiner Arbeit und seiner Person.
    Der Stadtsäckel und die bischöfliche Kasse kamen gemeinsam für die Kosten der Unterbringung und der Verpflegung der Kinder auf, was nur auf den ersten Blick großzügig wirkte. Der bischöfliche Erlass, die Vermögen der der Hexerei Beschuldigten zur Finanzierung der Verfahren einzuziehen, griff auch hier. Faltermayer hatte seinen Büttel zur Feststellung und zum Konfiszieren der Vermögen losgeschickt, und wie sich zeigte, stieß er im Hause Greins auf eine beträchtliche Barschaft. Daneben stellte er zahlreiche Schuldverschreibungen und Besitzurkunden fest. Grein war ein unvermutet reicher Mann, der allerdings mehr durch seine Klagen über die schlechten Zeiten aufgefallen war als durch Spendierfreudigkeit.
    Das Kloster Neumünster hätte an diesem Tag noch mehr Kinder aufnehmen müssen, wäre es nach dem Willen der Bürger gegangen. Niemand fühlte sich in den heimischen Wänden mehr sicher, jetzt, da man Kathis Bericht von ihrem letzten Ausflug auf den Schalksberg gehört hatte. Lediglich hinter Klostermauern seien Kinder vor dem Zugriff der Hexen noch geschützt – solange die Kinder nicht auf das Rufen der Hexen hörten. Um dem vorzubeugen, kam jemand sogar auf die Idee, ihre Ohren mit Bienenwachs zu schließen.
    Kathi, Grit und die anderen Kinder mussten in einen größeren Raum verlegt werden, damit alle an einem Ort versammelt waren. Das machte die Aufsicht einfacher.
    An der Kopfseite der beiden Reihen aus Strohmatten wachte immer ein Klosterbruder über die Schutzbefohlenen. Hatte Ludwig die Kinder mit einem Nachtgebet zu Bett gebracht, so war nun Bruder Timotheus an der Reihe, die Kinder durch die Nacht zu begleiten. Mit einem Rosenkranz und der Heiligen Schrift ausgestattet, richtete er sich auf einem harten Stuhl und an einem schmalen Tisch ein. Darauf stand eine Schale mit Weihwasser für alle Fälle.
    Von einem Laienbruder hatte er zudem gehört, dass eine mit Knoblauch bestrichene Hasenpfote gegen den Angriff böser Geister schütze, wenn man dazu die Worte sprach:
Weiche von mir, Satanas.
Darauf wollte er nicht verzichten und versteckte die Pfote unter seiner Kutte.
    Augenscheinlich sorgte der Schutz mit Weihwasser und Hasenpfote für die Beruhigung seiner Nerven, denn nach wenigen Minuten war er friedlich eingeschlafen.
    Sobald Bruder Timotheus’ gleichmäßiges Schnarchen zu hören war,

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