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Die Kinderhexe

Die Kinderhexe

Titel: Die Kinderhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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schauten sie sich an. Hatte denn niemand eine rettende Idee?
    Die Kinder besaßen seit kurzem einen Schutzengel, einen, der ihnen alle Hindernisse aus dem Weg schaffte und sie gegen jedes Unglück verteidigte – Pfarrer Ludwig. Er hatte seine Karriere und seine Existenz an das Schicksal der Kinder geknüpft. Fielen sie, fiel auch er, und zwar tiefer und gnadenloser, als jeder es sich vorstellen konnte. Der Bischof, der Abt, seine Klosterbrüder, die Eltern der Kinder und alle Bürger der Stadt würden nichts mehr mit ihm zu tun haben wollen. Er durfte froh sein, wenn er mit einem Verweis das Kloster verlassen konnte und mit einer lebenslangen Wanderschaft durch das kriegsgebeutelte Land davonkam. Von heute auf morgen hätte er alles verloren, worum er jahrelang gekämpft hatte.
    Er musste eingreifen, schnell und überzeugend. Aber er musste auch umsichtig vorgehen und Kathi nicht der Falschaussage bezichtigen, sondern auf Verblendung abheben, mit der sie ein hinterlistiger Teufel geschlagen hatte, um die arglosen Bürger zu täuschen. Damit hätte ihre Aussage wie die der Kinder nach wie vor Bestand. Er trat entschlossen vor die Hexenkommissare.
    «Vergebt diesem Mädchen», rief er laut, damit es alle hören konnten, «und glaubt nicht ihren Worten. Denn es sind nicht die ihren, sondern es ist Blendwerk des Teufels. Er stellt euch damit auf die Probe.»
    «Unsinn», widersprach Kathi, «ich spreche die Wahrheit. Es ist alles eine Lüge. Es gab nie eine Hexe Babette.»
    Ludwig lachte übertrieben laut und zeigte auf sie. «Hört ihr das? Hört ihr die falschen Worte, die der Satan ihr eingibt?
Es gab nie eine Hexe.
Dabei weiß jede halbwegs vernünftige Seele, dass der Teufel mit seiner Hexenbrut die schlimmste, verdammungswürdigste und hinterlistigste Geißel ist, die wir uns nur vorstellen können. Denn steht nicht geschrieben:
Habt acht, dass euch niemand verführt! Denn viele werden unter meinem Namen kommen und sagen: Ich bin der Christus! Und sie werden viele verführen.
    Auch der Teufel weiß davon. Er kennt die Schrift genauso gut wie ihr. Doch er ist listiger und einfallsreicher, als ihr es euch vorstellen könnt. Er hat sich mittels eines Zaubers dieses Kindes bemächtigt und ihm das Gift der Täuschung eingeflößt. Er will allen, die ihr heute hier versammelt seid, vormachen, dass diese verlorenen Seelen», er zeigte auf die Angeklagten, «nicht des Teufels seien, sondern unschuldige, bedauernswerte Christenmenschen, die zu Unrecht angeklagt worden sind. Und wenn ihr sie dann habt gehen lassen, werden sie erneut die böse Saat unter euch verteilen, auf dass ihr ihnen nachfolgt in sein finsteres Reich der Hölle. Daher rufe ich euch zu: Seid wachsam, steht fest im Glauben, seid mutig und stark! Vergebt diesem Kind die falschen Worte, denn es sind nicht seine.»
    Jemand schrie dazwischen: «Verbrennt das verfluchte Hexenvieh!» Jubel ertönte.
    «Ja, verbrennt sie», wiederholte Ludwig die Forderung, allerdings mit einem anderen Gedanken. «Verbrennt sie, damit uns die Verführungskunst des Teufels auf ewig ein Rätsel bleiben wird und gleich die Nächste wieder falsches Zeugnis ablegen kann, sobald des Teufels Brut vor dem Scheiterhaufen steht. Versteht ihr denn nicht? Wenn ihr dieses Kind tötet, wird uns der Teufel stets aufs Neue an der Nase herumführen. Gebt ihr sie mir aber in meinen Schutz, so kann ich sie studieren und herausfinden, wie er es anstellt, das Gute zum Bösen zu verkehren. Seid nicht dumm, tretet nicht in seine Schlingen, die er überall für euch ausgelegt hat. Erkennt stattdessen seine Gespinste, damit ihr sie gegen ihn nutzen und euer Seelenheil für immer retten könnt.»
    Die Worte taten ihre Wirkung. Kathi schaute sich erschrocken um. Niemand schien ihre Beichte weiter ernst zu nehmen, jeder hing an Ludwigs Versprechungen.
    Sie rannte auf die Hexenkommissare zu.
    «Glaubt ihm kein Wort», beschwor sie sie, «er spricht die Unwahrheit. Es hat niemals eine Hexe gegeben. Ihr versündigt Euch, wenn Ihr anderes glaubt.»
    Mit der Bitte stieß sie bei Dürr und Faltermayer auf taube Ohren. Wenn sie ihre Kronzeugin verloren, dann standen sie als einfältige Esel da, die sich von einem Kind hinters Licht hatten führen lassen. Der Bischof wäre darüber nicht erfreut, genauso wenig wie die Bürger noch länger Vertrauen in ihre beiden angesehenen Kommissare haben konnten.
    «Geh aus dem Weg», herrschte Dürr sie an und schob sie zur Seite. Er ging auf Ludwig zu und sprach zur Menge.

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