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Die Kinderhexe

Die Kinderhexe

Titel: Die Kinderhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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«Der ehrwürdige Pfarrer Ludwig hat recht. Der Teufel hat uns heute mit diesem Kind in die Irre treiben wollen. Gott sei es gedankt, dass wir mit Ludwig einen so aufmerksamen und unbestechlichen Diener des Herrn in unseren Reihen wissen. Mit ihm an der Seite ist es mir nicht bang, die verfluchte Herrschaft des Teufels und seiner Hexen auf immer zu brechen. Hiermit ordne ich an, dass das Kind in seine Obhut überstellt bleibt und er sie ausgiebig erforscht, damit wir niemals mehr dem Zeugnis falscher Stimmen verfallen.»
    Er wandte sich an den Malefizschreiber. «So fahr er nun mit der Verlesung der Anklagen fort, damit wir diesen unseligen Tag noch mit einer guten Tat beenden können.»
    Das forsche Eintreten für die Rechtmäßigkeit des Verfahrens sollte sich rächen. Zu Dürrs Füßen lag die tote Hortensia Paulus in ihrem Blut. An ihrer Seite stand ein anderes Weib, eine Malefikantin im Büßerhemd. Ihre wirren Haare hingen ihr ins Gesicht, doch als sie den Hexenkommissar in unmittelbarer Nähe spürte, schwor sie sich, nicht alleine ins Totenreich des Teufels einzugehen.
    Sie erhob die blutige Hand und zeigte auf ihn. «Du bist einer Hexe Sohn!»
    Dürr fuhr herum.
    «Du wurdest von einer Wölfin geboren, die mit der Paulus nachts zum Schalksberg ausgefahren ist. Verflucht seist du.»
    Sie spuckte ihn an.
    Dürr reagierte schnell. Mit einem Schlag brachte er das schändliche Weib zum Schweigen.
    Doch da erhob sich schon der nächste Zeigefinger gegen ihn.

[zur Inhaltsübersicht]
    25
    Als sich der Himmel über dem Sanderanger mit dicken Rauchwolken verfinsterte, wurde auf der anderen Seite der Stadt in aller Heimlichkeit eine Gefangene verlegt. Der Zeitpunkt der Verlegung war von den Hexenkommissaren mit Bedacht gewählt worden. Trotz der Besagung durch Grit und Anna blieb die Wertschätzung für Felicitas Dornbusch in der Bürgerschaft hoch. Es war daher besser, kein Öl ins Feuer zu schütten und ihren Transport vom Loch unterm Grünenbaum ins Juliusspital so geheim wie möglich zu halten. Dort waren in jüngster Zeit Räume zur Befragung von verdächtigen Hexenleuten eingerichtet worden.
    Christian hielt sich hinter einer Hausecke versteckt, die eine Hand am Dolch, in der anderen ein Prügel. Nur zwei Stadtknechte waren im Grünenbaum zurückgeblieben, die die Gefangenen bewachten. Der Rest war auf dem Sanderanger, um die Hinrichtungen zu sichern.
    Ein altes Weib hatte es sich nichtsahnend am Pranger unter der Gerichtslinde bequem gemacht. Offensichtlich war sie eine Fremde, sonst hätte sie diesen Ort gemieden, an dem Diebe, Betrüger und Mörder zur öffentlichen Bestrafung festgebunden wurden. In diesen Zeiten hing da auch schon mal ein altes, unvorsichtiges Hexenweib in Ketten.
    Wenn er Felicitas befreien wollte, musste er jetzt handeln. Der Moment war günstig. Schon bald würden die Scheiterhaufen niedergebrannt sein und die Stadtknechte zurückkehren.
    Doch Christian war kein Kämpfer, zumindest keiner, der mit Schwert und Morgenstern umzugehen verstand. Er war ein Rechtsgelehrter, dessen Kunst in der geschickten Auslegung von Gesetzen bestand. Darin machte ihm so schnell keiner etwas vor. Außerdem stand drüben am Torhaus zur Mainbrücke auch noch ein anderer Knecht. Wenn der mitbekam, was hier gleich geschehen würde, dann stünden Christian drei Gegner gegenüber. Er musste sich also etwas einfallen lassen.
    Am geschicktesten wäre es, wenn der Kampf gar nicht erst auf der Straße stattfand, sondern im Grünenbaum. Aber er wusste nicht, ob sich dort noch weitere Bedienstete und Wachen aufhielten.
    Die Entscheidung wurde ihm von einem heranpreschenden Reiter abgenommen. Er kam aus Richtung des Sandertors; sein schwarzer Mantel wehte im Wind, und das bleiche, gehetzte Gesicht erkannte Christian als das des Hexenkommissars Dürr. Ihre Blicke trafen sich für einen Moment, und Christian glaubte, damit sei sein Befreiungsversuch bereits gescheitert, bevor er richtig begonnen hatte. Doch zu seiner Überraschung kümmerte sich Dürr nicht um ihn.
     
    In gestrecktem Galopp ritt Dürr über den Platz vor dem Grünenbaum. Als er Christian Dornbusch mit einem Prügel in der Hand an der Ecke zur Domstraße sah, erschrak er für einen Moment. Aber er hatte Dringenderes zu tun. Sein Vorsprung war nicht groß. Faltermayer hatte ihm bis zum Anstecken des zehnten Scheiterhaufens Zeit gegeben, um seine persönlichen Dinge, wie er es genannt hatte, zu ordnen. Dann würde er die Stadtknechte losschicken und seine

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