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Die Kinderhexe

Die Kinderhexe

Titel: Die Kinderhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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verurteilt wurde. Auffällig war, dass die Zeugen nicht den Dreck unter den Fingernägeln wert waren und das Verfahren mehr Lücken aufwies, als Löcher im Strumpf eines alten Marktweibs sind. Doch entscheidend ist das hier.»
    Er kramte in den Unterlagen und zog schließlich eine Liste hervor. «Das ist die Bestandsaufnahme des Fuchs’schen Besitzes. Nach dieser Liste hätten zum Zeitpunkt der Feststellung zwanzig Fuder besten Weins vom Stein, sechs Ochsenkarren und zwölf Rösser der bischöflichen Kasse zum Bestreiten der Gerichtskosten überstellt werden müssen. Tatsächlich tauchen in der endgültigen Liste aber nur zehn Fuder, zwei Ochsenkarren und sechs Pferde auf.» Er zeigte auf eine entsprechende Liste mit gleicher Überschrift. «Ebenso fehlen vom sichergestellten Barvermögen des Weinhändlers rund zweitausend Gulden, das Silber- und Goldbesteck und einiges an Schmuck.»
    «Und wo ist das alles geblieben?», fragte Kathi.
    Dürr zeigte auf die Unterschrift am Ende der Liste.
    Sie las den Namen: Doktor Faltermayer.
    «Das wird dem Bischof die Augen über seinen geschätzten Kommissar öffnen. Obwohl: Der Bischof ist an Geist und Seele genauso verfault wie seine Helfer. Das kaiserliche Reichskammergericht in Speyer dürfte sich jedoch für folgende Unterlagen interessieren.»
    Er kramte Papiere mit Siegeln hervor. «Das sind von mir in Auftrag gegebene Rechtsgutachten, die auf Anweisung des Bischofs zurückgezogen wurden. Sie alle hätten ausgereicht, um die Verfahren einzustellen und die Beschuldigten freizulassen. Stattdessen endeten die Angeklagten unter dem Schwert oder auf dem Scheiterhaufen. Ihr Vermögen wurde ebenso eingezogen wie das der anderen auch. Wer dagegen Einspruch erhob, musste es ebenfalls mit dem Leben bezahlen.»
    Kathi mochte es immer noch nicht glauben. Was war nur aus dieser Stadt, ihrem Bischof und den Hexenkommissaren, ihren Doktoren und Professoren geworden, wenn nicht einmal die Obrigkeit an das Treiben von Hexen und Zauberern glaubte, sondern nur noch Raffsucht und Mord regierten? Wenn all die Ermahnungen und Unterweisungen der Pfarrer, Eltern und Lehrer im Glauben an die Errettung sich als billige Lüge herausstellten? Gab es dann überhaupt so etwas wie eine Hexe oder einen Zauberer?
    «Ich habe es lange Zeit nicht wahrhaben wollen», sagte Dürr, «aber ich habe in all den Verfahren und sogar unter der Folter niemanden erlebt, von dem ich sicher glaubte, er sei tatsächlich mit dem Teufel im Bunde. Es gab immer einen sehr diesseitigen Grund, wieso ein Weib oder ein Mann beschuldigt wurden. Mit Hexerei oder gar mit dem Teufel hatte das nichts zu tun.»
    «Und dennoch habt Ihr die Hexenprozesse durchgeführt», sagte Kathi vorwurfsvoll. «Ihr seid Teil dieser Bande.»
    Für einen Moment blitzten Dürrs Augen auf. Dann schlug er den Blick nieder.
    «Du hast recht, und wahrscheinlich wäre es auch immer so weitergegangen, wenn nicht etwas Unvorhergesehenes vorgefallen wäre.»
    «Dass Eure Mutter angeklagt wird», sagte Kathi.
    «Ja», gab er zu, «auch das. Doch womit ich nicht gerechnet habe, warst du.»
    «Ich?» Kathi glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. «Wieso ich?»
    «Natürlich weiß ich um die Vorfälle mit Kindern, die sich andernorts zugetragen haben. Plötzlich und ohne Vorwarnung wollen sie mit Hexen und Zauberern zu tun haben, klagen sich und andere der Hexerei an, stürzen ihre Familien und Nachbarn ins Verderben. Je mehr Raum man ihren Lügengeschichten gibt, desto abenteuerlicher werden sie, und je mehr man sich auf sie einlässt, desto verwirrter machen sie einen. Die kleine Johanna war so ein Fall. Sie hat mich zuerst blind und dann verrückt gemacht. Seit ihrem Tod treibt es mich um, dass ich nachts nicht mehr schlafen kann … Und dann kamst du. Hast dasselbe behauptet wie sie. Da wusste ich, dass es Zeit war, über alles nachzudenken. Aber sag mir, warum hast du behauptet, dass du zum Schalksberg ausgefahren seist? Dein Leben geriet dadurch in Gefahr, ebenso das deiner Mutter und Freunde.»
    Kathi musste nicht lange überlegen. «Babette hat mir zu essen und zu trinken gegeben, hat mich gekleidet und gelehrt. Sie hat mich getröstet und geliebt, mehr als die eigene Mutter. Dann habt Ihr sie mir genommen, und das durfte nicht ungesühnt bleiben. Aber warum musste sie überhaupt sterben? Sie war doch nur ein altes, harmloses Weib.»
    «Damals wusste ich noch nicht, was Faltermayer vorhat», erklärte Dürr. «Erst später ging es mir auf. Mit seinem

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