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Die Kinderhexe

Die Kinderhexe

Titel: Die Kinderhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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heimtückischen Plan will er die Stadt und den Bischof unter seine Kontrolle bringen. Und Babette war seine beste Waffe.»

[zur Inhaltsübersicht]
    27
    «Aufmachen! Im Namen des Bischofs, öffnet die Tür!»
    Christian Dornbusch saß regungslos in der Kammer. Das Feuer im Kamin war erloschen, ohne dass er es bemerkt hatte. Sein starrer Blick verlor sich im Dunkeln. Die Aufforderung des Büttels ging an ihm vorüber wie ein schwächer werdendes Echo.
    Soll er sich selbst hereinlassen, dachte er. Die kunstvoll verzierte Tür, die Felicitas und er nach venezianischen Vorlagen bei Meister Grimm in Auftrag gegeben hatten, würde dabei brechen, wie so vieles in diesem Haus. Doch das war jetzt egal, es war ohnehin alles verloren.
    Die Mägde und die Köchin waren bereits gegangen. Er hatte sie frühzeitig nach Hause geschickt, damit sie nicht ebenfalls in Gefahr gerieten. Er konnte sich nicht erinnern, wann es jemals so still und einsam in diesem Haus gewesen war. Nicht einmal nach dem Tod des ersten Kindes. Felicitas hatte die Nacht hindurch geweint, die Eltern saßen zusammen und beteten einen Rosenkranz nach dem anderen. Auch beim zweiten Kind wollte keine Ruhe einkehren. In der Nacht hörte er die Mägde tuscheln, welch großes Unglück den Herrn ein zweites Mal heimgesucht hatte. Und beim dritten Kind hatte die Köchin alle Bediensteten zu nächtlicher Stunde in der Küche versammelt, um die weiteren Schritte zu besprechen. Konnte man noch länger in diesem Haus bleiben, jetzt, nachdem es offensichtlich nicht mit rechten Dingen zuging? Sollte man den Hexenkommissar hinzuziehen, den Pfarrer oder gar das alte Kräuterweib?
    Heute Morgen hatte er es noch in der Hand gehabt, das Blatt zu wenden. Mit Knüppel und Dolch hatte er den Stadtknechten vorm Grünenbaum aufgelauert, fest entschlossen, Felicitas zu befreien. Selbst als Dürr vorbeigeritten kam, als sei der Teufel hinter ihm her, zögerte er keinen Moment. Er würde das Recht in die eigenen Hände nehmen. Niemand würde ihn von seinem Vorhaben abhalten können. Niemand, außer dem Herrn im Himmel … oder einer seiner treuesten Anhängerinnen.
    Als sich das Tor zum Grünenbaum geöffnet hatte und die beiden Stadtknechte mit Felicitas auf die Straße traten, war er mit der blinden Wut eines Mannes am Abgrund losgestürmt, die Waffen fest umklammernd.
    Den ersten Stadtknecht traf er mit dem Knüppel an der Schulter, sodass er seinen Spieß fallen lassen musste. Dem zweiten versetzte er einen Stich in den Arm. Das war überraschend schnell und einfach geschehen. Damit war Felicitas frei, der Rest ein Kinderspiel. Vorne am Markt hatte er die Pferde postiert. Geld und alles Notwendige für die nächsten Monate waren in den Satteltaschen deponiert. Der Schwiegervater kümmerte sich um die Torwachen. Für ein ordentliches Handgeld waren sie bereit, im entsprechenden Augenblick zur Seite zu blicken. In Kitzingen wartete eine Kutsche auf sie. Mit ihr ging es über die Landesgrenze bis nach Nürnberg. Dort würden sie ein paar Tage rasten und besprechen, wie es weitergehen sollte. Prag war eine Möglichkeit, Venedig eine zweite. Ein neues Leben lag vor ihnen.
    Doch dann sollte alles ganz anders kommen. Während die Stadtknechte noch mit ihren Wunden beschäftigt waren und er Felicitas am Arm nahm, um sie fortzubringen, spürte er Widerstand.
    «Der Herr wird über mein Schicksal entscheiden», sagte sie, «nicht der Hexenkommissar und auch nicht du.»
    Er verstand nicht. «Was redest du da? Komm, schnell, bevor die Wachen sich von dem Angriff erholen.»
    Doch sie blieb eisern. Nur ihrem Schöpfer im Himmel sei sie verantwortlich. Sie habe ihren Frieden gemacht. Nun komme, was ihr bestimmt sei.
    Er zerrte an ihr, schrie sie an, endlich mit dem Unsinn aufzuhören und mit ihm in die Freiheit zu flüchten, alles sei vorbereitet, ihr Vater warte am Tor, morgen sei man in Nürnberg …
    Aber sie stand nur da und schwieg. Erst als die Torwache von der Mainbrücke ihn niederrang, sprach sie wieder. Es waren diese seltsam vertrauten Worte. Er hatte sie lange nicht mehr gehört, obwohl er täglich in die Kirche ging. Er hätte niemals gedacht, dass sie ihn eines Tages so sehr treffen würden.
    Soll ich etwa den Kelch nicht trinken, den mir der Vater gegeben hat?
    Die Bibel rutschte Christian Dornbusch bei der Erinnerung an diese Worte aus den Händen und fiel zu Boden. Die Seite, die er aufgeschlagen und ein ums andere Mal gelesen hatte, lag obenauf. Es war Jesu Gefangennahme durch

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