Die Kindes des Todes - Inspektor Rebus 14
Beschützend, fragte sich Rebus, oder besitzergreifend? »Also«, sagte Kate, »die Petition ist eine gute Idee...« »Eine hervorragende Idee«, berichtigte Bell sie. »... aber das kann nur der Anfang sein. Es ist dringend nötig, dass die Behörden endlich Maßnahmen ergreifen, durch die verhindert wird, dass Waffen in die falschen Hände gelangen.« Bei dem Wort »Behörden« schaute sie zu Rebus und Siobhan hinüber.
»Lassen Sie mich Ihnen einige Zahlen nennen«, unterbrach Bell sie erneut und präsentierte das Klemmbrett. »Die Zahl der Verbrechen mit Schusswaffengebrauch steigt an - das wissen wir alle. Aber die Statistiken sind nicht verlässlich. Je nachdem, mit wem man spricht, hört man, dass die Zahl dieser Verbrechen um zehn Prozent, zwanzig Prozent oder sogar vierzig Prozent pro Jahr steigt. Jegliche Steigerung ist nicht nur äußerst beklagenswert und zudem ein Schandfleck auf den Tätigkeitsberichten der Polizei und der Sicherheitsorgane, sondern, was noch wichtiger ist -« »Kate, dürfte ich Sie fragen«, unterbrach einer der Journalisten ihn, »wie kann es Ihrer Meinung nach gelingen, dass die Regierung den Opfern Gehör schenkt?« »Ich bin mir nicht sicher. Vielleicht ist es an der Zeit, die Regierung außen vor zu lassen und direkt an die Menschen zu appellieren, die Waffen benutzen, die Menschen, die sie verkaufen, sie in unser Land bringen...« Bell steigerte die Lautstärke seiner Stimme noch weiter. »Im Jahr 1996 wurden, Schätzungen des Innenministeriums zufolge, zweitausend Schusswaffen pro Woche - pro Woche -illegal nach Großbritannien eingeführt... viele davon durch den Kanaltunnel. Seit den Bestimmungen, die nach dem Amoklauf in Dunblane erlassen wurden, ist die Anzahl der Verbrechen, bei denen Handfeuerwaffen benutzt werden, um vierzig Prozent gestiegen...«
»Kate, dürfte ich Sie um Ihre Meinung zu...« Rebus hatte sich abgewandt und ging in Richtung von Siobhans Auto. Als Siobhan ihn einholte, zündete er sich gerade eine Zigarette an oder versuchte es jedenfalls. Wegen des Winds ging die Flamme seines Feuerzeugs immer wieder aus.
»Helfen Sie mir?«, fragte er.
»Nein.« »Besten Dank.« Aber dann gab sie nach und öffnete ihren Mantel so weit, dass er sich in dessen Schutz die Zigarette anzünden konnte. Er dankte ihr mit einem Nicken.
»Genug gesehen?«, fragte sie.
»Könnte es sein, dass wir keinen Deut besser als die sensationslüsternen Gaffer sind?« Sie dachte kurz nach, dann schüttelte sie den Kopf. »Wir haben ein berufliches Interesse.« »So kann man's auch nennen.« Die Menge löste sich langsam auf. Viele blieben noch vor dem improvisierten Schrein an der Hecke stehen, aber nach und nach gingen immer mehr Leute an der Stelle vorbei, wo Rebus und Siobhan standen. Ihre Gesichter waren feierlich, entschlossen, mit Tränenflecken auf der Haut. Eine Frau drückte ihre zwei, noch keine zehn Jahre alten Kinder an sich, und die beiden wirkten verwirrt, fragten sich wahrscheinlich, was sie getan hatten, dass ihre Mutter zum Weinen gebracht hatte. Ein älterer Mann, der sich schwerfällig auf ein Gehgestell stützte, war offenbar fest entschlossen, den Heimweg aus eigener Kraft zu bewältigen, denn er wies jedes der vielen Hilfsangebote kopfschüttelnd ab.
Eine Gruppe Teenager war in ihren Port-Edgar-Schuluniformen erschienen. Rebus hätte wetten können, dass ein paar Dutzend Kameras Aufnahmen von ihnen gemacht hatten. Der Lidschatten der Mädchen war verschmiert. Die Jungen wirkten peinlich berührt, so als bereuten sie es, gek##189 kommen zu sein. Rebus hielt nach Miss Teri Ausschau, konnte sie aber nirgends entdecken. »Ist das da nicht Ihr Freund?«, fragte Siobhan, begleitet von einer Kopibewegung. Rebus musterte erneut die Menschenmenge und begriff sofort, wen sie meinte. Peacock Johnson, inmitten der Prozession, die sich zurück in den Ort bewegte. Und neben ihm, einen ganzen Kopf kleiner, Evil Bob. Bob hatte seine Baseball-Mütze abgenommen, wodurch eine kahle Stelle auf seinem Kopf enthüllt wurde. Er war gerade dabei, die Mütze wieder aufzusetzen. Johnson hatte sich, dem Anlass entsprechend, dezenter als üblich gekleidet: ein grau glänzendes Hemd, wahrscheinlich aus Seide, unter einem langen schwarzen Regenmantel. Er trug ein schwarzes geflochtenes Band um den Hals, zusammengehalten von einer silbernen Schnalle. Auch er hatte seine Kopfbedeckung - einen grauen Trilby - abgenommen, hielt ihn in beiden Händen und fuhr mit den Fingern über die Krempe.
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