Die Klassefrau
Sprache. Wir haben es hier mit einem Wahnsinnigen zu tun, der mit einer automatischen Waffe durch die Gegend läuft und auf alles feuert, was ihn schief ansieht.«
»Mr. Waring«, sagte Peter. Er trug immer noch die Jeans, die seine muskulösen langen Beine betonten, und den blauen Pullover, der so gut zu seinen blauen Augen passte. Sein dichtes blondes Haar sah aus, als hätte er es sich mehr als nur einmal mit seinen langen Fingern gerauft. »Es tut mir Leid, aber ich bin im Moment nicht befugt, einen Kommentar zu diesem Fall abzugeben. Und ich bitte Sie als maßgebenden und verantwortungsbewussten Bürger alles in Ihrer Macht Stehende zu tun, um die Einwohner dieser Stadt zu beruhigen, statt sie in Panik zu versetzen. Der Amokschütze bevorzugt überfüllte Einkaufszentren. Das stimmt. Wenn Ihre Zuschauer also etwas zu ihrem Schutz tun wollen, sollten sie ihre Einkaufsgewohnheiten für einige weitere Wochen ändern, bis wir diesen Kerl geschnappt haben.«
» Wochen? «, stammelte Mr. Waring, »haben Sie eine Ahnung, wie viele Menschen in ein paar Wochen getötet werden könnten, während Sie Däumchen drehen?«
»Und wissen Sie, wie viele Menschen Sie möglicherweise mit Ihrer Panikmache in Gefahr bringen, wenn Sie sich weiterhin wie ein drittklassiger Horrorschreiber aufführen?«, fuhr Peter ihn an und holte tief Luft. »Mr. Waring, es ist ein schwieriger Fall, aber wir werden den Schützen fassen, und zwar hoffentlich bevor weitere Menschen sterben müssen. Und wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden, ich muss wieder an die Arbeit.«
Peter wandte sich von der Kamera ab und verschwand, während Sidney Waring die Ereignisse der letzten Stunde zusammenfasste. Der Amokschütze hatte die Filiale von Neiman Marcus auf dem Union Square betreten und das Feuer eröffnet. Achtzehn Tote, dreiundzwanzig Verwundete. Die Kamera zoomte näher an den Tatort. Polizisten, Sanitäter, Reporter, benommene, aber trotzdem sensationslüsterne Zeugen drängten sich auf dem Bildschirm. Sie konnte gerade noch sehen, wie Peter in den Laden zurückging. Sidney Waring erklärte, Inspector Drake leite die Ermittlungen in diesem Fall.
Mallory schaltete den Fernseher aus und starrte auf den leeren Bildschirm. Wie kam ein so liebenswerter und humorvoller Mann nur auf die Idee, als Detective Mordfälle zu untersuchen? Sie hatte zwar auch schon mit Tod zu tun gehabt, sogar regelmäßig, aber nicht täglich, und kam alles andere als gut damit zurecht. Wie konnte er es ertragen, täglich damit konfrontiert zu sein?
Warum tat er sich das an?
Obgleich sie sich seit einer Ewigkeit kannten, konnte sie diese Frage nicht beantworten.
Seit einer Ewigkeit?
Mallory vergrub den Kopf in ihren Armen und stöhnte. Am Dienstag hatte er auf ihrem Parkplatz gestanden, sich gegen seinen BMW gelehnt und sich vor Lachen ausgeschüttet, und seitdem war er so oft in eine andere Rolle geschlüpft, dass sie kaum nachkam. Sie kannte alle seine Rollen, jedes einzelne Leben dahinter ganz genau. Es gab eine Verbindung zwischen ihr und Peter Drake, eine, die schon seit Jahrhunderten existierte. Aber warum trafen sie jetzt erneut aufeinander?
Um es richtig zu machen.
Mallory erschauderte und hob den Kopf. Sie brauchte nicht zu meditieren, um sich all diese anderen Leben vor Augen zu rufen. Ihr Geschlecht und ihre Nationalitäten hatten sich mit jedem neuen Leben verändert, aber eines war konstant geblieben: Stets hatte der Tod ihre Verbindung unterbrochen, ehe sie sie richtig genießen konnten.
Eine Woge der Übelkeit stieg in ihr auf. Aber ihr gegenwärtiges Leben war nicht dafür vorgesehen, es endlich richtig zu machen, wie ihr bisheriger Weg nur allzu deutlich bewies. Möglicherweise ging es im nächsten Leben darum, aber nicht in diesem. Sie würde sich den hartnäckigen Peter Drake vom Leib halten. Zwar plante er zweifellos noch weitere »zufällige« Begegnungen mit ihr, aber sie würde es nicht mehr dazu kommen lassen. Peter Drake würde die ruhigen Gewässer ihrer Existenz nicht länger stören. Ende der Diskussion.
Nur … irgendwie schien er auch sie wiedererkannt zu haben.
Sagen wir, tief in meinem Inneren weiß ich einfach, dass ich Sie besser kennen lernen muss.
Wieder erschauderte Mallory. Obgleich sie ihn hatte abblitzen lassen, hatte Mallory dennoch bei jeder ihrer Begegnungen den Kern dieses Mannes erfasst. Er war alles, was sie sich einst erträumt hatte: ehrlich, lustig, intelligent, liebenswert, loyal und ehrenhaft. Aber das war
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