Die Klassefrau
Lincoln und Grant?«
Mallory lachte schallend. »Nichts so Berühmtes, glaub mir«, sagte sie. »Wir waren Sioux-Indianer im frühen achtzehnten Jahrhundert, als die amerikanische Armee gerade alles daran gesetzt hat, den Stamm auszurotten. Du hast eine Kugel in den Rücken bekommen. Im sechzehnten Jahrhundert waren wir in einem winzigen irischen Fischerdorf zusammen. Damals war ich der Mann. Zwei Tage vor unserer Hochzeit ertrank ich bei einem Unwetter. Du hast dir die Augen ausgeweint.«
»Na ja, schließlich habe ich dich geliebt«, murmelte Peter.
»Im späten achtzehnten Jahrhundert«, fuhr Mallory hastig fort, »waren wir Sklaven in Alabama und beschlossen, gemeinsam nach Kanada zu fliehen -«
»Aber die Hunde und unser Herr haben uns wieder eingefangen«, unterbrach Peter. »Ich wurde von den Hunden zerfleischt, und du wurdest erschossen.«
Mallory starrte ihn an. »Woher weißt du das?«
Peter lächelte gelassen. »Ich war schließlich dabei.«
»Großer Gott«, murmelte Mallory.
»Erinnerst du dich noch an weitere frühere Leben von uns?«
»An etwa ein Dutzend. Nicht alle sind so deutlich wie die, die ich gerade geschildert habe. Ich …« Sie hielt inne und fuhr ruhelos mit dem Finger über den Rand ihres Weinglases. »An dem Tag, an dem wir uns das erste Mal begegnet sind, habe ich immer wieder beobachtet, wie du dich verwandelt hast und in unterschiedliche Rollen geschlüpft bist. Kurz danach fingen die Erinnerungen an unsere früheren Leben wieder an.«
»Du bist wirklich gut«, sagte Peter bewundernd. »Was Verwandlungen und Auren betrifft, bin ich nicht besonders gut. Nur die üblichen Ahnungen, gelegentlich kann ich ein paar Gedanken lesen und bekomme das große Flattern, sobald eine gefährliche Situation entsteht.«
»Ich glaube nicht, dass im Handbuch für Hellseher erklärt wird, wie man mit dem großen Flattern umgeht. Was tust du dagegen?«
»Ich vermeide gefährliche Situationen«, antwortete Peter grinsend.
»O ja, genau«, konterte Mallory zynisch. »Dass Bertoch dich mit seinem Messer bedroht hat, war also nicht gefährlich?«
»Ich habe nur meine Arbeit gemacht«, wiegelte Peter ab.
»Ach so. Dein Job könnte tödlich enden, Drake.«
»So was gibt es nur im Kino. Fertig mit der Pizza?«
Mallory warf einen letzten Blick auf die Überreste und stöhnte. »Und ob.«
»Gut. Ich auch. Gehen wir in mein modernes Wohnzimmer«, schlug Peter vor, stand auf, nahm sein Weinglas und griff nach Mallorys Hand.
Da war es wieder – dieses schockierend verführerische Kribbeln, das sich von seinem Arm aus über seinen gesamten Körper ausbreitete, während vor seinen Augen alles in einem goldenen Licht verschwamm. Zum Glück kannte er den Weg zu seinem Wohnzimmer. Er zog Mallory neben sich auf die Couch und beobachtete amüsiert, dass sie ihm so beiläufig wie möglich ihre Hand entzog und so tat, als müsse sie ihr Weinglas mit beiden Händen auf dem Glastisch abstellen. Schließlich rückte sie etwa zwanzig Zentimeter von ihm ab.
Im Geiste spulte er die Liste der Themen herunter, die sich bisher als ungefährlich erwiesen hatten und von denen ihm eines vielleicht helfen könnte, diese zwanzig Zentimeter wieder zurückzugewinnen.
»Hatten deine Eltern kein Problem damit, dass ihre Tochter eine begnadete Automechanikerin ist?«
»Meine Eltern fanden es toll«, erklärte Mallory. »Jeden Morgen haben sie jedem Autogott gedankt, der ihnen in den Sinn kam, dass ich ihnen mit meinem Schraubenschlüssel das Leben versüße. Ich habe dafür gesorgt, dass ihr Vega jahrelang lief, musst du wissen.«
»Du hast einen Ehrenplatz in der Ruhmeshalle der Mechaniker verdient«, sagte Peter voll Bewunderung.
Mallory war ganz seiner Meinung, nickte und rückte zwei Zentimeter näher. »Ich habe sie ungefähr ein halbes Jahr vor ihrem Tod überredet, sich einen VW-Kombi zuzulegen. Und jeden einzelnen Tag dieser sechs Monate haben sie mir vorgeschwärmt, dass ›dieser Wagen einfach wundervoll ist‹. Ich habe mir ein ›habe ich euch doch gesagt‹ verkniffen.«
»Wie nobel von dir.«
Er unterbrach das folgende Schweigen nicht, sondern wartete gespannt, was Mallory wohl tun würde.
»Tja«, sagte sie nach einem weiteren Schluck Wein, »hast du auch noch andere Hobbys außer Joggen und unschuldige Mechanikerinnen zu belästigen?«
Aha! Sie war also genauso neugierig auf ihn wie er auf sie. »Eine unschuldige Mechanikerin zu belästigen ist kein Hobby von mir, sondern meine neue Lebensaufgabe.
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