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Die Klassefrau

Die Klassefrau

Titel: Die Klassefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Michelle
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war. Er wollte auf mich losgehen, als ich versucht habe, ihn dazu zu bringen, sich hinzusetzen. Und da habe ich sie gesehen. Sie war höchstens fünfundzwanzig.
    Eine dieser reichen New-Age-Anhängerinnen, in Sandalen, langem Rock und weißem Bauernhemd, nur dass das Hemd jetzt rot war, über und über mit Blut besudelt. Aber nicht mit ihrem Blut. Sie … kniete nur da, schaukelte vor und zurück und hielt ein zwei Jahre altes Mädchen in ihren Armen. Sie wiegte sie und summte leise, sagte, dass alles wieder gut würde. Aber das kleine Mädchen war tot. Aus einer Wunde in ihrer Brust strömte Blut und tränkte das Hemd ihrer Mutter. Das Kind hing völlig schlaff in ihren Armen, wie ein alter Luftballon, den man zu oft aufgeblasen hat.« Er zitterte. »Zwölf Jahre habe ich versucht, mich gegen den Tod um mich herum immun zu machen.«
    »Ich weiß«, sagte Mallory weich.
    »Aber der Tod … der Schmerz … war die ganze Zeit in mir. O Gott, Mallory, es tut so schrecklich weh!«
    Sie spürte seine Tränen auf ihrer Brust. Sie konnte nichts anderes tun, als ihn in ihre Liebe zu hüllen und ihm zu helfen, das Gift aus seinem Inneren zu tilgen. »Und dann?«, murmelte sie, als sein Schluchzen langsam verebbte, und fuhr zärtlich durch sein dichtes blondes Haar.
    Nach und nach erzählte er ihr von den Toten, den Kindern, den Männern, den Frauen. »Immer mehr Rettungswagen und Polizeiwagen trafen ein und trotzdem gab es nichts, was einer von uns tun konnte, weder für diese Kinder noch für die Männer oder die Frauen. Absolut nichts!«
    Wieder strömten Tränen über Peters gequältes Gesicht. Er klammerte sich an sie, als wäre sie der einzige Halt, den er in diesem Leben hatte. Sie öffnete sich und versuchte, etwas von seinem Kummer in sich aufzunehmen, seinem Herzen ein wenig Erleichterung zu verschaffen. Der Anblick der Bilder, die ihn verfolgten, jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Sie fragte sich, wie jemand wie Peter nicht nur einmal, sondern schon so oft Zeuge derartiger Horrorszenarien geworden sein und dennoch so sehr an die Liebe und an das Gute im Menschen glauben konnte.
    Dass er das tat, war ein reines Wunder, und sie würde alles in ihrer Macht Stehende tun, damit dieses Wunder bestehen blieb.
    Es dauerte eine Viertelstunde, ehe er zitternd tief Luft holte und seine verzweifelte Umklammerung löste.
    »Es ist gut«, murmelte sie und wischte ihm zärtlich die Tränen ab, »du kannst nichts mehr für diese Menschen tun, sondern nur dafür sorgen, dass ihre Freunde und Verwandten kein weiteres Gemetzel erleben müssen.«
    »Wir schaffen es nicht. Wir kriegen ihn einfach nicht!«, explodierte Peter.
    »Du findest ihn, Peter. Du wirst ihn zu Fall bringen. Nichts wird dich daran hindern, und es wird schon bald passieren. Ich spüre es ganz deutlich, und du weißt, dass ich mich nie irre.«
    Er schwieg, aber sie spürte, wie allmählich etwas von ihrer Wärme, ihrer Liebe und Zuversicht auf ihn über ging.
    »In Wahrheit habe ich gelogen«, sagte sie leichthin.
    Er hob den Kopf. »Du hast was?!«
    »Ich habe gelogen. Es gibt doch etwas, was du für diese Menschen, die heute gestorben sind, tun kannst.«
    »Was?«
    Ihre Finger fuhren sanft über seine gerunzelte Stirn. »Lass sie los«, sagte sie sanft.
    »Was -«
    »Stell dich nicht dümmer, als du bist, Peter, du weißt genau, was ich meine. Lass sie los. Sie haben schon genug damit zu tun, unsere Welt zu verlassen. Sei nicht so egoistisch. Hör auf, dich an sie zu klammern. Lass sie gehen.«
    »Ich bin nicht der Einzige, der sie zurückhält«, verteidigte er sich.
    »Nein, natürlich nicht. Aber einer weniger, der an ihnen zerrt, wird eine große Erleichterung für sie sein, meinst du nicht auch?«
    Er blickte sie finster an. »Es gibt Zeiten, in denen ich es wirklich hasse, wenn du Recht hast.«
    »Komm schon«, sagte sie und schob sich neben ihn, »ich helfe dir. Ich habe mehr als genug Erfahrung damit. Schließ die Augen und atme tief und gleichmäßig. Komm schon.«
    Seufzend legte er sich auf den Rücken, schloss die Augen und begann, tief und gleichmäßig zu atmen.
    »Wir fangen mit dem kleinen Mädchen an«, erklärte Mallory sanft. »Welche Farbe soll ihre Rose haben?«
    »Weiß.«
    »In Ordnung. Lass sie sanft in die Blütenblätter einer weißen Rose gleiten. Oh, deine Herzchakren sind ja vollkommen zu. Du musst eine Sperre nach der anderen lösen und sie vollständig ausmerzen, von der Wurzel an. So ist es richtig. Grabe ganz tief.«
    Sie

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