Die Klassefrau
arbeitete zwei Stunden mit ihm und half ihm, die seelische Verbindung zu jedem einzelnen der Toten zu kappen, auch zu den Verwundeten und all denen, die im Gegensatz zu einem geliebten Menschen überlebt hatten. Als die letzte Verbindung aufgelöst und die letzte Rose zur Sonne emporgeschickt worden war, hatte sich Peters Haut wieder erwärmt und fühlte sich wieder lebendig an. Die Anspannung war aus seinem Körper gewichen und er war langsam in erholsamen, heilenden Schlaf gesunken.
Aber Mallory schlief nicht, sondern lag halb aufgerichtet neben ihm und streichelte sein volles Haar. Wie konnte ein Mann, der so viel Tod und Blutvergießen gesehen hatte, immer noch das Leben bejahen? Wie schaffte er es, sich ihr gegenüber so freudig zu öffnen, als wäre Verletzbarkeit etwas Anstrebenswertes und nicht etwas, das es zu vermeiden galt.
»Mein Geliebter«, murmelte sie und küsste ihn sanft auf die Stirn, »ich habe noch so viel von dir zu lernen. Ich hoffe nur, dass mir genug Zeit bleibt.«
13
Am Montag lagen die Morgenzeitungen mit ihren sensationslüsternen Schlagzeilen ausgebreitet vor ihnen auf Peters Esstisch, während sie ihren Kaffee tranken.
»Warum machen sie dich persönlich dafür verantwortlich?«, fragte Mallory in die Stille hinein.
»Ich leite das Sonderkommando«, antwortete Peter, der einen Bericht auf Seite fünf überflog.
»Aber Consuela doch auch.«
»Aber ich bin nun mal derjenige, der den Reportern als Ansprechpartner zur Verfügung steht, also hacken sie auf mir herum.«
»Kann so etwas deiner Karriere schaden?«
Sie deutete auf die Zeitung.
»Nicht langfristig«, erklärte Peter und trank einen Schluck Kaffee. »Die Mordkommission steht hinter mir, aber eine Beförderung oder Gehaltserhöhung wird es wohl erst geben, wenn sich der Wirbel wieder gelegt hat.«
Am Dienstagmorgen fing es an. Mallory wachte mit bleischwerem Herzen auf, ohne zu wissen, warum sie so niedergeschlagen war. Sie hatte keine schlechten Träume gehabt, keine Visionen. Stattdessen hatten Peter und sie einen wunderschönen Abend und eine noch schönere Nacht verbracht. Sie war in seinen Armen aufgewacht. Was stimmte also nicht?
Da sie wieder einmal zu spät zur Arbeit gekommen war, musste sie mit ihrer Meditation bis zur Mittagspause warten, um die Ursache ihres Unbehagens herauszufinden. Eine Minute nach zwölf meldete sie sich bei Mike ab und joggte die drei Häuserblocks hinüber in den Golden Gate Park. Laufen half ihr immer, einen klaren Kopf zu bekommen, damit sie sich konzentrieren konnte.
Sie fand eine Bank in einer kleinen Lichtung, ignorierte den beißenden Wind, der plötzlich aufgekommen war, und versetzte sich in Trance.
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Ihre Zeit mit Peter neigte sich dem Ende zu. Er würde schon bald sterben. Schon in den nächsten Tagen.
Mallorys riss die Augen auf und starrte blind die Hecke vor sich an, während der kalte Wind ihre Tränen trocknete. »Noch nicht, bitte noch nicht!«, wisperte sie, obwohl sie wusste, dass es nichts nützte.
Am liebsten wäre sie zu Peter gelaufen und hätte ihn gekidnappt, ihn so weit von San Francisco weggebracht, wie sie nur konnte. Aber auch das würde nicht helfen. Wo auch immer sie ihn hinbringen würde, die Kugel träfe ihn trotzdem.
Daran gab es nicht den geringsten Zweifel.
Sie ließ ihren Tränen freien Lauf. Nichts sollte die Freude dieser letzten kostbaren Stunden mit Peter trüben. Er verdiente es nicht, dass sie ihm in den verbleibenden Stunden seines Lebens etwas vorheulte. Sie weinte, bis ihr ganzer Körper schmerzte, bis sie nur noch erstickt schluchzen konnte.
Dann wischte sie sich das Gesicht ab, putzte sich die Nase und ging zurück zur Werkstatt, wobei sie geflissentlich Mikes besorgten Blick ignorierte, als sie das Büro durchquerte. Sie hatte noch fünf Stunden, um sich wieder zu fangen. Fünf Stunden, um einigermaßen passabel auszusehen, damit Peter nichts merkte.
Falls er heute Abend überhaupt zurückkäme.
Am Mittwochmorgen schreckte Mallory aus dem Schlaf hoch. Das Herz war ihr immer noch schwer, aber sie lag in Peters Armen, und sie bedankte sich im Stillen bei dem Gott, der ihr diese letzte Nacht geschenkt hatte. Dann konzentrierte sie sich darauf, den Kummer aus ihren Augen zu verbannen und ein glaubwürdiges Lächeln aufzusetzen.
»Hm?«, brummte Peter und bewegte sich leicht im Schlaf.
Sie küsste seine Augen, seine Wangen, seine Nase, seinen Mund. Peter war wach. Hellwach sogar.
Diese
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