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Die Klaue des Schlichters

Die Klaue des Schlichters

Titel: Die Klaue des Schlichters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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Menschheit mit dem Universum wiederzuversöhnen, dem alten Bruch ein Ende setzend. Es ist seine Art gewesen, so erzählt man, zu verschwinden und wiederzuerscheinen, als man ihn tot geglaubt hat – zuweilen ist er nach seiner Beerdigung wiedererschienen. Den einen ist er erschienen als Tier, der menschlichen Zunge kundig, anderen als fromme Frau und wieder anderen in Rosengestalt.«
    Meine Maskierung kam mir in den Sinn. »Wohl wie die Heilige Katharina bei ihrer Hinrichtung.«
    »Es gibt auch schlimmere Legenden.«
    »Erzähl!«
    »Sie haben mir Angst gemacht«, sagte Dorcas. »Nun kann ich mich nicht einmal mehr an sie erinnern. Ist in dem braunen Buch, das du bei dir trägst, nicht von ihm die Rede?«
    Ich zog es hervor und sah nach und stellte fest, daß dem so war. Da ich jedoch beim Gehen nicht gut lesen konnte, steckte ich es wieder ein mit dem Vorsatz, das bei der nächsten Rast nachzuholen, die wir sowieso bald einlegen mußten.
     

 
XXVII
 
Gen Thrax
     
    Unser Weg führte durch den darbenden Wald, solange es hell war; eine Wache nach der Dämmerung gelangten wir an das Ufer eines Flusses, der kleiner und reißender als der Gyoll war, wo wir im Mondschein jenseits des Wasserlaufs breite Zuckerrohrfelder sich im Nachtwind wiegen sahen. Jolenta hatte seit einer ganzen Weile über Erschöpfung geklagt, und Dorcas und ich einigten uns, hier zu rasten. Da ich es nie gewagt hätte, die fein geschliffene Klinge von Terminus Est bei den dicken Ästen der Waldbäume zu gebrauchen, hätten wir wenig Holz zum Feuermachen gehabt; das abgefallene Geäst, auf das wir unterwegs gestoßen waren, war durch und durch feucht, schwammig und faulig. Am Ufer indes fanden wir reichlich knorrige, ausgewitterte Zweige vor, die fest, leicht und trocken waren.
    Wir hatten einen stattlichen Haufen beisammen und unser Feuer aufgeschichtet, als mir einfiel, daß ich meinen Zünder nicht mehr besaß, den ich beim Autarchen gelassen hatte, welcher auch, dessen war ich mir sicher, der »hohe Hofbeamte« gewesen war, der Dr. Talos’ Hände mit Chrysos gefüllt hatte. Dorcas führte in ihrem spärlichen Gepäck jedoch Flint, Stahl und Zunder mit, so daß wir bald in den Genuß einer knisternden Lohe kamen. Jolenta fürchtete sich vor wilden Tieren, obwohl ich ihr lang und breit erklärte, wie unwahrscheinlich es war, daß die Soldaten in einem Wald, der bis zum Garten des Hauses Absolut reichte, irgend etwas Gefährliches duldeten. Ihr zuliebe brannten wir drei dicke Knüppel nur an einem Ende an, so daß wir sie nötigenfalls aus dem Feuer ziehen und damit die Kreaturen, vor denen sie Angst hatte, abwehren könnten.
    Es kamen keine wilden Tiere, das Feuer hielt die Moskitos zurück, und wir lagen auf dem Rücken und beobachteten, wie die Funken in die Luft aufstiegen. Viel höher zogen die Lichter der Flieger hin und her und erfüllten den Himmel für ein, zwei Augenblicke mit einer gespenstischen Scheindämmerung, als die Minister und Generäle des Autarchen zum Haus Absolut zurückkehrten vom oder aufbrachen in den Krieg. Dorcas und ich stellten Überlegungen an, was sie wohl dächten, wenn sie – nur für einen Moment, während sie fortgetragen wurden – herabblickten und unseren scharlachroten Stern sähen; und wir kamen zu dem Schluß, daß sie wohl über uns genauso nachdachten wie wir über sie und sich fragten, wer wir seien, wohin wir gingen und weswegen. Dorcas sang mir ein Lied vor, ein Lied von einem Mädchen, das im Frühjahr durch einen Hain wandert und sich nach den Freunden des Vorjahres, dem gefallenen Laub, sehnt.
    Jolenta lag zwischen dem Feuer und dem Ufer, weil sie sich dort wohl sicherer wähnte. Dorcas und ich ruhten auf der gegenüberliegenden Seite des Feuers, nicht nur weil wir so gut wie möglich außer Sicht sein wollten, sondern weil Dorcas, wie sie mir gestand, der Anblick und das Rauschen des kalten, dunklen Stromes zuwider waren. »Wie ein Wurm«, sagte sie. »Eine große, schwarze Schlange, die jetzt zwar satt ist, aber weiß, wo wir sind, und uns nach und nach fressen will. Hast du keine Angst vor Schlangen, Severian?«
    Thecla hatte Angst davor gehabt; ich spürte, wie sich ihre Angst bei dieser Frage in mir regte, und nickte.
    »Ich habe gehört, daß in den heißen Urwäldern des Nordens der Autarch aller Schlangen Uroboros ist, der Bruder von Abaia, und daß Jäger, die auf seine Höhle stoßen, glauben, einen unterseeischen Gang entdeckt zu haben, und beim Absteigen sein Maul betreten und

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