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Die Klaue des Schlichters

Die Klaue des Schlichters

Titel: Die Klaue des Schlichters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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Verdingung den vollen Lohn beim Tode jedes Klienten erhielte, während der Alkalde, wie er sagte, beabsichtige, mich erst dann ganz auszubezahlen, wenn alle drei erledigt wären. Einer solchen Regelung hätte ich nie zugestimmt, und sie mißfiel mir insbesondere in Hinblick auf die Warnung des grünen Mannes (die ich aus Loyalität für Vodalus für mich behalten hatte). Nachdem ich jedoch angedroht hatte, am morgigen Nachmittag nicht zu erscheinen, bekam ich mein Geld; der Streit war beigelegt. Nun saßen Jonas und ich über einem dampfenden Holzteller voll Fleisch bei einer Flasche Wein, die Tür war geschlossen und verriegelt und der Wirt angewiesen, meine Anwesenheit in seinem Haus zu leugnen. Ich hätte mich rundherum wohl gefühlt, hätte mich der Wein in meinem Becher nicht so lebhaft an jenen viel besseren Wein erinnert, den Jonas am Vorabend in unserem Wasserkrug entdeckte, nachdem ich mir insgeheim die Klaue angesehen hatte.
    Jonas, der mich wohl beobachtete, wie ich in die hellrote Flüssigkeit starrte, goß sich ebenfalls einen Becher ein und meinte: »Wohlgemerkt bist du nicht verantwortlich für die Urteile. Wenn du nicht gekommen wärst, hätten sie ihre Strafe früher oder später trotzdem erhalten und in den Händen eines nicht so geübten Vollstreckers vermutlich mehr gelitten.«
    Ich fragte, was er damit wohl sagen wolle.
    »Ich sehe dir an, es bedrückt dich … was heute gewesen ist.«
    »Ich denke, es ist gut gelaufen«, erwiderte ich. .
    »Du weißt, was der Tintenfisch sagte, als er aus dem Riementangbett der Meerjungfer stieg: ›Ich bezweifle nicht dein Können – ganz im Gegenteil. Aber du siehst aus, als täte dir ein bißchen Aufmunterung gut.‹«
    »Wir sind nachher immer ein wenig verzagt. Das hat Meister Palaemon immer gesagt, und es hat sich auch in meinem Fall bestätigt. Er nannte es eine rein mechanische, psychologische Funktion, was mir damals als bloßes Oxymoron vorgekommen ist. Nun aber habe ich Bedenken, ob er nicht doch recht gehabt hat. Konntest du zusehen, oder hattest du zu viel zu tun?«
    »Ich stand die meiste Zeit auf der Treppe hinter dir.«
    »Ein guter Platz mit bester Sicht. Also hast du genau verfolgen können, wie’s gegangen ist – es lief wie am Schnürchen, nachdem wir beschlossen hatten, nicht länger auf den Stuhl zu warten. Ich vollbrachte mein Werk lobenswert und stand im Brennpunkt der Bewunderung. Danach überkommt einen Mattigkeit. Meister Palaemon pflegte von Massenmelancholie und höfischer Melancholie zu sprechen; manche von uns hätten beides, andere keins von beiden, wieder andere nur eins davon. Nun, ich habe die Massenmelancholie; festzustellen, ob ich auch die höfische Melancholie habe, diese Möglichkeit wird sich mir in Thrax wohl kaum bieten.«
    »Und was ist das?« Jonas blickte in seinen Becher mit Wein.
    »Ein Folterer, sagen wir ein Meister in der Zitadelle, wird zuweilen mit Beglückten von höchstem Range zusammengebracht. Nehmen wir an, es gibt einen äußerst empfindsamen Gefangenen, der jedoch über wichtiges Wissen verfügt. Wahrscheinlich wird irgendein hochangestellter Beamter dazu bestimmt, dem Verhör dieses Gefangenen beizuwohnen. Sehr oft hat er wenig Erfahrung in den peinlichen Anwendungen, so daß er den Meister mit Fragen überhäufen oder ihm vielleicht gewisse Bedenken bezüglich der Gemütslage oder des Wohlbefindens des Vernommenen anvertrauen wird. Ein Folterer fühlt sich unter solchen Umständen im Mittelpunkt aller Dinge …«
    »Und kommt sich dann verlassen vor, sobald es vorüber ist. Ja, ich glaube, das sehe ich ein.«
    »Hast du schon einmal erlebt, wie so etwas abläuft, wenn gepfuscht wird?«
    »Nein. – Willst du nichts von diesem Fleisch essen?«
    »Ich auch nicht, aber ich habe Leute darüber berichten gehört, deswegen bin ich so nervös gewesen. Es haben sich schon Klienten losgerissen und sind in die Menge geflohen. Es sind schon mehrere Hiebe erforderlich gewesen, um den Hals durchzuschlagen. Es haben Folterer schon alle Zuversicht verloren und nicht mehr weitermachen können. Als ich auf dieses Schafott sprang, konnte ich nicht wissen, daß nichts von alledem mir passierte. Wenn ja, wäre es für immer aus gewesen.«
    ›»Dennoch, ’s ist eine schreckliche Art des Broterwerbs.‹ Das sprach der Dornenstrauch zum Würger, nicht wahr?«
    »Eigentlich …« Ich brach ab, weil sich in der gegenüberliegenden Zimmerhälfte etwas bewegte. Zuerst hielt ich es für eine Ratte, und ich habe eine

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