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Die Klaue des Schlichters

Die Klaue des Schlichters

Titel: Die Klaue des Schlichters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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hatte. Vielleicht sollte ich es nicht erwähnen, aber ich habe daraufhin mein Schwert zum Himmel erhoben, zur ausgezehrten Sonne mit dem Wurm im Herzen, und gerufen: »Sein Leben für das meine, Neue Sonne, bei deinem Zorn und meiner Hoffnung!«
    Der Ulan (es war nur ein einziger) mußte gewiß denken, ich wolle ihn angreifen, was ich ja auch tat. Der blaue Schimmer an seiner Lanzenspitze wurde stärker, als er auf uns zustürmte.
    So erschöpft er auch war, der Rappe schlug Haken wie ein verfolgter Hase. Ein Ruck an den Zügeln, und er wirbelte herum, wobei seine Hufe in die frische Grasnarbe der Straße tiefe Furchen rissen. Binnen eines Atemzugs hatten wir kehrt gemacht und rasten den Wesen entgegen, die uns nachsetzten. Ob Jonas meinen Plan verstanden hat, weiß ich nicht, jedenfalls hat er’s mir gleichgetan, als hätte er ihn durchschaut, ohne sein Tempo zu verringern.
    Eines der fliegenden Geschöpfe stieß nieder, wobei es aller Welt wie ein ins Universum gerissenes Loch vorkommen mußte, denn es war wahrlich rußschwarz, lichtlos wie meine eigene Tracht. Es hatte wohl Jonas anvisiert, aber als es in Reichweite war, hieb ich es wiederum mit einem Schwertstreich entzwei, woraufhin sich über mich abermals Hitze ergoß. Da ich ihre Quelle kannte, dünkte sie mich übler als der schlimmste Gestank; die bloße Empfindung auf der Haut kehrte mir den Magen um. Ich ritt eine scharfe Wendung vom Fluß fort, da ich in jedem Augenblick mit einem Schuß von der Ulanenlanze rechnete. Kaum waren wir von der Straße gesprungen, fauchte er auch schon zwischen uns, versengte den Boden und setzte einen dürren Baum in Brand.
    Ich zog den Kopf meines Rappen hoch, so daß er zurückwich und auf die Hinterhand stieg. Ich suchte in der Nähe des Baumes kurz nach den drei dunklen Wesen. Sie waren nicht dort. Ich blickte schnell zu Jonas, um mich zu vergewissern, daß sie nicht doch auf irgendeine mir unverständliche Art über ihn hergefallen waren.
    Dort waren sie auch nicht, aber seine Augen verrieten mir, wo sie geblieben waren: sie umschwirrten den Ulanen, der sich, wie zu beobachten war, mit seiner flammenden Lanze zur Wehr setzte. Schuß um Schuß zerriß die Luft, so daß es in einem fort krachte wie bei einem Gewitter. Mit jedem Schuß verblaßte die helle Sonne, aber genau die Energien, mit denen er sie zu vernichten suchte, gaben ihnen anscheinend Kraft. In meinen Augen flogen sie nicht mehr, sondern flackerten wie schwarzes Licht bald hier, bald dort, immer dichter beim Ulanen, bis alle drei in kürzerer Zeit, als das Niederschreiben dauert, auf seinem Gesicht klebten. Er taumelte stöhnend aus dem Sattel, und seiner Hand entglitt die Lanze, die dabei erlosch.
     

 
XIII
 
Die Klaue des Schlichters
     
    Ich rief: »Ist er tot?« und sah Jonas bestätigend nicken. Ich wollte nun davonreiten, aber er bedeutete mir, zu ihm zu kommen, und stieg ab. Als wir vor dem toten Ulanen standen, sagte er: »Vielleicht können wir diese Dinger zerstören, damit sie nicht wieder auf uns gehetzt werden oder jemand anderem gefährlich werden können. Sie sind nun gesättigt, und wir können sie, glaube ich, anfassen. Wir brauchen etwas zum Reintun – etwas Wasserdichtes aus Metall oder Glas.«
    Ich hatte nichts dergleichen und sagte ihm das.
    »Ich auch nicht.« Er kniete sich neben den Ulanen nieder und stülpte dessen Taschen nach außen. Aromatischer Qualm vom brennenden Baum verbreitete sich wie Weihrauch, und ich hatte das Gefühl, wieder in der Kathedrale der Pelerinen zu sein. Die Decke aus Zweigen und Laub des letzten Sommers, worauf der Ulan lag, hätte der strohbestreute Boden sein können; die Stämme der struppigen Bäume die tragenden Pfeiler.
    »Hier«, verkündete Jonas und hob eine Blechbüchse auf. Sobald er den Deckel aufgeschraubt hatte, schüttete er die darin enthaltenen Kräuter aus und rollte dann den toten Ulanen auf den Rücken.
    »Wo sind sie?« fragte ich. »Sind sie in den Leib eingedrungen?«
    Jonas schüttelte den Kopf und machte sich behutsam daran, aus dem linken Nasenloch des Ulanen sehr sachte eines der dunklen Wesen zu ziehen. Bis auf seine Undurchsichtigkeit ähnelte es feinstem Seidenpapier.
    Ich wunderte mich über seine Sorgsamkeit. »Wenn du es zerreißt, werden dann nicht einfach zwei daraus?«
    »Ja, aber es ist nun gesättigt. Würde es zertrennt, verlöre es Energie, und wäre nicht mehr handhabbar. Übrigens sind viele Menschen umgekommen, die diese Kreaturen zerstückelt und ihnen haben

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