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Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition)

Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition)

Titel: Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tsokos
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zerstückelt, um seine Tat zu vertuschen. Außerdem beteuert er immer wieder, dass er sein Opfer keineswegs habe quälen wollen. »Ich wollte, dass er endlich tot ist – nur deshalb habe ich mit dem Beil auf sein Gesicht und seinen Schädel eingeschlagen.«

    Nach eigener Aussage haben Hank Burren und Lara Rossbach den Tatort am Tag danach gründlich gereinigt. Fast zwei Wochen später, als Lara Rossbach zu ihrer ersten Zeugenaussage abgeholt wurde, stach Polizeikommissar Mogurski ein starker Putzmittelgeruch in die Nase – offenbar hat die junge Frau an diesem Tag nochmals zu Lappen und Schrubber gegriffen, um übersehene Blutspuren zu beseitigen. Schließlich war Hank Burren zu diesem Zeitpunkt bereits unter Verdacht geraten – und Lara Rossbach musste damit rechnen, dass ihre Wohnung über kurz oder lang kriminaltechnisch untersucht werden würde.
    Doch die Mühen der mehrfachen Reinigung hätte sie sich sparen können. Blutspuren so vollständig zu beseitigen, dass sie trotz moderner Untersuchungsmethoden nicht mehr nachweisbar sind, ist fast unmöglich. Selbst unter einem neuen Farbanstrich lassen sich sogenannte latente Blutspuren auffinden. Mit innovativen Hilfsmitteln wie dem Blutnachweismittel Luminol und der mobilen Spektralleuchte Lumatec superlite 400 kann man fluoreszierende Spuren von Blut oder Sperma auch dann noch sichtbar machen, wenn sie durch Putzmittel weitestgehend beseitigt worden sind.
    Einige Wochen, nachdem Hank Burren und Lara Rossbach ihre Geständnisse abgelegt haben, beauftragt die zuständige Staatsanwaltschaft unser rechtsmedizinisches Institut, ein Blutspurengutachten zu erstellen. Zusammen mit meinem Kollegen Dr. Lilienthal und Kriminaloberkommissarin Beate Lückertz mache ich mich Ende Juli am Tatort an die Arbeit. Es gilt, jeden Quadratmillimeter der Wohnung – Fußboden, Wände, Decke – auf das Vorhandensein von noch so kleinen Blutspuren zu untersuchen. Denn die können uns alles über das Tatgeschehen erzählen, was Hank Burren und Lara Rossbach bisher nicht preisgeben wollten.

    Durch erfolgreiche TV-Serien wie Dexter sind Blutspurenanalysen als Mittel kriminalpolizeilicher und rechtsmedizinischer Tatortarbeit in den letzten Jahren populär geworden. Doch die physikalischen, chemischen und ballistischen Eigenschaften von Blut sind bereits seit dem 19. Jahrhundert bekannt, und die Analyse von Blutspuren am Tatort gehört seit jeher zu unserem Alltag in der Rechtsmedizin.
    Auch wenn umgangssprachlich von »Blutstropfen« die Rede ist, hat Blut außerhalb des Körpers keine Tropfen-, sondern eine Kugelform. Beim Auftreffen von Blut auf eine Kollisionsfläche – etwa auf eine Steinwand – entstehen charakteristische Spritzmuster. Von der Größe, Menge und Verformung der »Tropfen« und ihrem Verteilungsmuster können Blutspurenexperten auf die Art und Intensität der zugrundeliegenden Gewalteinwirkung rückschließen.
    Dabei gilt generell: Beim Zuschlagen mit einem stumpfen oder scharfen Gegenstand spritzt (frühestens) ab dem zweiten Schlag Blut. Wenn in drastischen Filmszenen schon nach dem ersten Schlag auf den Kopf eines Opfers reichlich Blut spritzt, ist das zwar sehr effektvoll, aber von der Realität weit entfernt. Mit dem ersten Schlag wird ja zunächst die blutende Wunde erzeugt, und erst die darauffolgenden Schläge treffen in das in der Wunde angesammelte Blut und lassen es herumspritzen.
    Je feiner die Blutspritzer, je kleiner also die einzelnen »Tropfen«, desto höher ist die Geschwindigkeit, mit der das Schlagwerkzeug die bereits blutende Wunde getroffen hat.
    Blutspritzer mit einer Größe von einem bis vier Millimetern werden im Fachjargon »medium velocity impact spatter« genannt (der deutsche Wissenschaftler kann sich nicht so kurz wie die angloamerikanischen Kollegen fassen und spricht von »Blutspritzern, die durch ein Objekt verursacht werden, das mit mittlerer Geschwindigkeit auf den blutigen Bereich auftrifft«); bei Blutspritzern ab vier Millimeter Größe spricht man von »low velocity impact spatter« (»durch ein langsam auftreffendes Objekt verursacht«). Aus dem Auftreffwinkel der Blutspritzer und ihrem Verteilungsmuster lässt sich außerdem rekonstruieren, wo genau sich das Opfer im Raum befunden haben muss, als es von dem Schlag in eine blutende Wunde getroffen wurde.

    Bereits unmittelbar nach Lara Rossbachs Verhaftung ist ihre Wohnung in der Alesundstraße kriminaltechnisch untersucht worden. Dabei hat das KTU-Team »zahlreiche

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