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Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition)

Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition)

Titel: Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tsokos
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bei lebendigem Leib zerstückelt, sonst hätte es aus den dort verlaufenden Gefäßen viel kräftiger in das umgebende Weichgewebe hineingeblutet.
    Der Tote weist großflächige bunte Tätowierungen auf Vorder- und Rückseite des Oberkörpers auf, die der anwesende Polizeifotograf mit der Kamera dokumentiert. Bei der nun stattfindenden äußeren Leichenschau beschreiben wir auch die Tattoos ausführlich. Auf dem Rücken befindet sich unter anderem ein Motiv aus geflochtenen Seilen mit Ankern und dem Schriftzug SAILORS darüber. Auf der Vorderseite ist um die rechte Brustwarze herum ein dunkelblaues Kreuz eintätowiert, während der Bereich der linken Brustwarze durch eine Windrose verziert ist. An der linken und der rechten Rumpfseite können wir jeweils drei Totenkopf-Motive abgrenzen. Auf dem Bauch sind zwei stilisierte vierfingrige Hände eintätowiert. Im Schulterbereich schließlich findet sich ein kunstvolles Dolch-Tattoo: Es erweckt den Anschein, als wäre die Klinge an der linken Halsseite eingedrungen und würde an der rechten Halsseite mit der Spitze hervorschauen.
    Bei der Obduktion stellen wir eine flächenhafte Einblutung der Halsmuskulatur fest. »Mögliche Ursachen sind ein Schlag mit der Faust oder mit einem stumpfen Gegenstand«, gebe ich zu Protokoll, »auch eine massive Halskompression kommt als ursächlich in Betracht.« Außerdem finden wir Blut in den Bronchien, in beiden Lungenflügeln sowie reichlich Blut in der Speiseröhre.
    »Das Opfer muss kurz vor Eintritt des Todes sein eigenes Blut eingeatmet beziehungsweise verschluckt haben«, kommentiert Dr. Lilienthal diese beiden Befunde.
    Ich stimme ihm zu. Aufgrund der Blutmenge in beiden Lungenflügeln kommt eine Blutaspiration als Todesursache durchaus in Betracht, also ein qualvolles Ersticken aufgrund von Blut, das die Luftwege ausfüllt, analog einem Ertrinkungstod im Wasser. Zu Beginn der Obduktion eines Tötungsdeliktopfers lässt sich kaum jemals absehen, welche rechtsmedizinischen Befunde später in einem Strafverfahren möglicherweise das »Zünglein an der Waage« darstellen werden. Doch dass dieser Obduktionsbefund für die juristische Würdigung des Tathergangs und damit unter Umständen für das Strafmaß entscheidend sein könnte, ist uns von Anfang an klar: Aus rechtsmedizinischer Sicht lässt sich nicht ausschließen, dass der Täter seinem Opfer als Erstes die Verletzung im Mund- oder im Nasen-Rachen-Raum – zum Beispiel mit einem Schuss, Stich oder Schlag – beigebracht hat, die zu sofortigem Bewusstseinsverlust und alsbaldigem Eintritt des Todes führte. Das Mordmerkmal »Grausamkeit« ist dem Täter daher mit rechtsmedizinischen Mitteln nicht nachzuweisen, egal wie schwer und zahlreich die weiteren Verletzungen sind, die wir bei dem Opfer noch feststellen werden.
    Erwartungsgemäß können wir den Toten durch die Obduktion nicht identifizieren, doch wir finden etliche Hinweise auf seine mögliche Identität. Aufgrund seiner zahlreichen Tätowierungen mit einschlägigen Motiven könnte der Mann in der Tat dem Rocker-Milieu angehört haben. Auch ein Hintergrund als Seemann oder Marinesoldat ist nicht auszuschließen, da einige Tätowierungen Seefahrermotive aufweisen. Obwohl keines der Tattoos ausgesprochene Nazi-Symbole enthält, könnte der Tote auch mit der rechtsradikalen Szene in Verbindung stehen. Dort sind Tätowierungen gleichfalls sehr beliebt – und brutale Gewalttaten, wie beispielsweise Fememorde an »Verrätern«, keineswegs unüblich. Alles in allem liefert die Obduktion reichlich Ansatzpunkte, denen die zuständigen Beamten der Mordkommission nachgehen können, um den unbekannten Toten zu identifizieren.

    Fieberhaft ermittelt die Kripo am folgenden Tag in alle erdenklichen Richtungen. Der Abgleich mit der Vermisstendatei ergibt keinen Treffer. Der Rollkoffer stellt sich als Allerweltsmodell heraus, das in Billigkaufhäusern in der ganzen Stadt verkauft wird. Der Wirt und die Barkeeper der Rocker-Disco Hellhound werden befragt und beteuern, dass in ihrem Etablissement keinerlei Gewalttätigkeiten geduldet würden. Ihre Empörung wirkt zwar äußerst schlecht gespielt, doch Anhaltspunkte für eine vor kurzem verübte Bluttat finden die Ermittler weder in der Diskothek noch in den schuppenartigen Nebengebäuden am Spreeufer.
    Genauso ergeht es den Kriminalbeamten bei ihren Recherchen in der Skinhead-Szene. Sie stoßen zwar auf jede Menge gewaltbereiter Zeitgenossen, deren von Bierkonsum und Bodybuilding

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