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Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition)

Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition)

Titel: Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tsokos
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eigentlich nur einen Schluss zu: Sie wollten zusammen aus dem Leben scheiden – aus welchen persönlichen Gründen auch immer.«
    Hundertprozentig zufrieden sind die beiden Kommissare nicht mit ihrem Ermittlungsergebnis, wie immer, wenn bei einem Suizid kein Abschiedsbrief und – viel schlimmer – kein Motiv zu finden ist. Aber weder für einen Unglücksfall noch für Fremdeinwirkung gibt es irgendwelche Anzeichen. So bleibt nach dem logischen Ausschlussverfahren nur eine mögliche Erklärung übrig: gemeinschaftlicher Suizid. Beide haben gemeinsam beschlossen, ihr Leben zu beenden, und diesen Entschluss zusammen in die Tat umgesetzt.

    Susan Heidenbacher und Francis Krapottke sahen zwar nicht gerade wie typische Internet-Freaks aus; dennoch könnte es durchaus sein, dass ihr gemeinsamer Suizid von einem makabren Trend inspiriert wurde, der in den letzten Jahren aus Asien nach Europa geschwappt ist: der virtuellen Verabredung zur »sanften« Selbsttötung mittels Holzkohlengrill.

Komm, süßer Tod
    Bis zum Beginn ihrer Pubertät ist Daphne Klügler ein heiteres Mädchen, das gern und viel lacht. Mit 14 Jahren beginnt sie sich schlagartig zu verändern. Sie kleidet sich schwarz, schminkt sich kalkweiß und verlässt nur noch bei Dunkelheit das Haus. Sie hört stundenlang seltsame Musik, die für ihre besorgten Eltern wie Klagegesänge aus der Geisterwelt klingt. In der Schule wird sie gemobbt, doch im Internet findet sie Gleichgesinnte, mit denen sie ganze Nächte hindurch chattet.
    Als Daphne 16 Jahre alt ist, findet ihre Mutter sie mit aufgeschnittenen Pulsadern in der Badewanne. Zwei Jahre später versucht die junge Frau, sich mit Schlaftabletten das Leben zu nehmen. Die tief beunruhigten Eltern wissen sich keinen Rat mehr. Sie überreden ihre Tochter, sich psychiatrisch untersuchen zu lassen. Der behandelnde Arzt diagnostiziert eine schwere Depression.
    Daphne Klügler zieht in ein betreutes Wohnheim für psychisch Kranke in der Nähe ihrer Heimatstadt Dresden. Nach einigen Monaten glauben ihre Betreuer, dass die junge Frau auf einem guten Weg sei. Nach wie vor verbringt sie viel Zeit an ihrem Notebook, aber zumindest chattet sie nicht mehr Tag und Nacht mit ihren Internet-Freundinnen.
    Eines Morgens im August warten ihre Therapeutin und die Mitpatienten vergeblich auf Daphne. Wie an jedem Montag findet in dem Wohnheim eine Gruppensitzung statt. Doch zum ersten Mal bleibt Daphne Klüglers Platz leer.
    Die Betreuer schauen im Zimmer der jungen Frau nach und stellen fest, dass sie offensichtlich das Weite gesucht hat. Ihr Rucksack, etliche Kleidungsstücke und ihr Handy fehlen. Auf dem Nachttisch finden sie schließlich einen handgeschriebenen kurzen Brief, in dem Daphne Klügler ankündigt, sich das Leben zu nehmen.
    Der Leiter des Wohnheims meldet die psychisch kranke junge Frau bei der Polizei als vermisst, und der zuständige Kriminaloberkommissar Achim Herder schreibt sie umgehend zur Fahndung aus. Noch am selben Tag können die Ermittler Daphne Klüglers Handy orten. Anhand der GPS-Daten stellen sie fest, dass sich die Vermisste im niedersächsischen Emsland aufhält. Doch kurz darauf erlischt das GPS-Signal.
    Die Dresdner Kripo arbeitet eng mit ihren niedersächsischen Kollegen zusammen. In einer großangelegten Suchaktion durchkämmen Hunderte von Polizisten und Feuerwehrleuten das dünn besiedelte Waldgebiet, in dem Daphne Klüglers Handy zuletzt geortet worden ist. Doch obwohl zusätzlich ein Hubschrauber eingesetzt wird, bleibt die Suche zunächst erfolglos.
    Weder die Eltern der jungen Frau noch ihre Betreuer im Wohnheim können sich erklären, weshalb Daphne Klügler ausgerechnet nach Niedersachsen gefahren ist. Oberkommissar Herder stellt ihr Notebook sicher, aber die Auswertung der Daten braucht Zeit – und die läuft den Fahndern gerade davon.
    Fieberhaft sucht die niedersächsische Polizei weiter das unübersichtliche Gebiet nach der Vermissten ab. In den frühen Abendstunden des folgenden Tages machen dann zwei Polizeibeamte in einem Waldstück eine grausige Entdeckung.
    Hinter aufgestapelten Baumstämmen halb verborgen steht ein Igluzelt im Unterholz. Es ist mit einer zusätzlichen Plastikplane abgedichtet, die mit schwarzem Isolierband fixiert worden ist.
    Vorsichtig nähern sich die Streifenbeamten. Nun fällt ihnen auch der Geruch nach kaltem Rauch auf, der aus dem Innern des Zeltes zu dringen scheint.
    »Polizei!«, ruft einer von ihnen. »Ist da jemand im Zelt?«
    Keine Antwort.

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