Die Kleinbürger (German Edition)
Gerichtsvollzieher beim Friedensgericht, das heißt, daß er in bezug auf seine Interessen nicht leicht wird mit sich reden lassen.«
»Sie werden Herrn Dutocq die Forderung abkaufen,« antwortete du Portail; »Sie werden sich darüber mit ihm verständigen. Nötigenfalls werden, wenn Theodosius sich zu widerspenstig gegen meine Projekte mit ihm verhalten sollte, diese Wechsel in unsrer Hand eine kostbare Waffe sein. Sie würden dann in Ihrem Namen gegen ihn vorgehen und brauchten sich im übrigen um nichts zu sorgen; ich verpflichte mich, den Betrag nebst Zinsen zu bezahlen.«
»Mit Ihnen läßt sich geschäftlich glatt arbeiten, mein Herr!« sagte Cérizet, »es ist ein wahres Vergnügen, Ihr Agent zu sein. Wenn Sie es jetzt für angezeigt halten sollten, mich besser mit der Mission vertraut zu machen, mit der Sie mir die Ehre erweisen, mich zu betrauen ...«
»Sie sprachen eben,« fuhr du Portail fort, »von Theodosius' Kusine, Fräulein Lydia de la Peyrade. Dieses junge Mädchen, die aber nicht mehr in der ersten Jugend steht, denn sie nähert sich den Dreißigen, ist die natürliche Tochter des berühmten Fräuleins Beaumesnil vom Théatre français, und la Peyrades, des Generalpolizeidirektors unter dem Kaiserreich, des Onkels unsres Freundes. Bis zu seinem Tode, der ihn plötzlich überraschte, wobei er seine Tochter, die er leidenschaftlich liebte und anerkannt hatte, ohne Mittel zurückließ, war ich mit diesem ausgezeichneten Manne in engster Freundschaft verbunden.«
Cérizet, der gern zeigen wollte, daß er auch etwas über das häusliche Leben du Portails zu sagen wußte, erwiderte:
»Und auf Grund dieser Freundschaft, mein Herr, haben Sie eine heilige Pflicht erfüllt, indem Sie diese interessante Waise zu sich genommen und sich eine schwierige Vormundschaft aufgeladen haben; der Gesundheitszustand des Fräuleins de la Peyrade erfordert, so viel ich weiß, eine ebenso unablässige wie liebevolle Wartung.«
»Gewiß,« entgegnete du Portail, »das arme Kind wurde durch den Tod des Vaters so erschüttert, daß ihr Geist ein wenig verwirrt blieb; aber seit einiger Zeit ist eine erfreuliche Änderung in ihrem Zustande eingetreten, und erst gestern hatte ich den Doktor Bianchon und die beiden leitenden Ärzte von Bicêtre und der Salpêtrière zu einer Konsultation hergebeten. Die Herren waren einstimmig der Ansicht, daß eine Verheiratung und die erste Entbindung die Kranke unfehlbar gesund machen würden; Sie werden begreifen, daß man ein so einfaches und so erfreuliches Mittel nicht unversucht lassen darf.«
»Also soll Theodosius,« sagte Cérizet, »Fräulein Lydia de la Peyrade, seine Kusine, heiraten?«
»Wie Sie sagen,« erwiderte du Portail, »und man kann nicht behaupten, daß ich von unserem jungen Freunde, wenn er diese Partie macht, ein allzu uneigennütziges Opfer verlange. Lydia besitzt ein angenehmes Wesen, Talente, einen vortrefflichen Charakter und kann ihrem Manne eine angesehene Stellung im Staatsdienste verschaffen; sie besitzt übrigens auch ein hübsches Vermögen, das außer dem Wenigen, was ihre Mutter ihr hinterlassen hat, in allem, was ich habe, besteht, das ich ihr, mangels anderer Erben, im Ehekontrakt verschreiben werde; und schließlich hat sie auch heute nacht noch eine ziemlich erhebliche Erbschaft gemacht.«
»Wie?« sagte Cérizet, »hat der alte Toupillier ...?«
»Durch dieses eigenhändige Testament hier bestimmt der Bettler sie zu seiner Universalerbin. Sie sehen also, daß ich einige Veranlassung hatte, Ihrem kecken Streich, den Sie mit der Frau Cardinal ausführen wollten, entgegenzutreten, denn es war ganz einfach unser Eigentum, das Sie plündern wollten.«
»Ich möchte mir wahrhaftig nicht anmaßen,« sagte Cérizet, »die Verirrung der Frau Cardinal entschuldigen zu wollen; aber als Blutsverwandte, die zugunsten einer Fremden enterbt wird, hatte sie ein gewisses Anrecht auf die Nachsicht, die Sie so gütig waren, gegen sie walten zu lassen.«
»Hierin irren Sie sich,« antwortete du Portail, »und die anscheinende Freigebigkeit gegen Fräulein de la Peyrade ist ganz einfach ein Zurückgeben.«
»Ein Zurückgeben?« sagte Cérizet neugierig.
»Ein Zurückgeben,« wiederholte du Portail, »und nichts läßt sich einfacher beweisen. Erinnern Sie sich an einen Diamantendiebstahl, der vor etwa zwölf Jahren bei einer unserer berühmtesten dramatischen Künstlerinnen verübt wurde?«
»Ja gewiß,« antwortete Cérizet; »ich war damals Redakteur einer
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