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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Meinung der Welt, in der sie geboren ist und in der sie gelebt hat, das ›non plus ultra‹ der ehelichen Glückseligkeit darstellt. Versuchen Sie doch, diesem Dummchen begreiflich zu machen, daß ein Vermögen, wenn es so glücklich ist, einem Talent auf seinem Wege zu begegnen, sich durch diese Begegnung für geehrt anzusehen hat! Und machen Sie das doch ihrer widerwärtigen elenden Umgebung begreiflich! Reichgewordene Bourgeois, das soll das Dach sein, unter dem Sie sich nach Ihrem harten Mühen und Ihren langdauernden Prüfungen zur Ruhe setzen wollen; müssen Sie nicht glauben, daß zwanzigmal am Tage das, was Sie in die Ehe gebracht haben, gegen das von der andern Seite eingebrachte Geld abgewogen und für ganz unverhältnismäßig zu leicht befunden werden wird? Auf der einen Seite die Ilias, der Cid, der Freischütz und die Fresken des Vatikans, auf der andern hunderttausend Taler in guter, klingender Münze: und nun sagen Sie mir, für welche Seite jene sich begeistern werden? Der Künstler, der Phantasiemensch, der in eine bourgeoise Atmosphäre verschlagen ist, wissen Sie, mit wem ich ihn vergleiche? Mit Daniel, der in die Löwengrube geworfen ist, aber ohne die wunderbare Errettung der Heiligen Schrift.«
    Diese Schmährede gegen die Bourgeoisie war in einem so warmen Tone der Überzeugung vorgebracht worden, daß sie ihre ansteckende Wirkung schwerlich verfehlen konnte.
    »Oh, gnädige Frau,« rief la Peyrade aus, »mit welcher Beredsamkeit sprechen Sie Dinge aus, die mir schon oft durch meinen beunruhigten und verwirrten Kopf gegangen sind! Aber immer fühle ich mich von dem bittern Verhängnis bedrängt, von der Notwendigkeit, mir eine Stellung zu verschaffen ...«
    »Notwendigkeit! Stellung!« unterbrach ihn die Gräfin in noch wärmerem Tone, »leere Worte ohne Sinn, die für die Klugen überhaupt keinen Klang haben, vor denen aber die Unbedeutenden, als vor zu fürchtenden Hindernissen, zurückweichen. Notwendigkeit! Gibt es das für Ausnahmenaturen, für die, die zu wollen verstehen? Ein gaskognischer Minister hat einmal ein Wort gesprochen, das an die Tür aller Karrieren geschrieben wurden mußte: ›Alles kommt zur rechten Zeit für den, der zu warten versteht.‹ Wissen Sie denn nicht, daß die Ehe für die Männer höheren Schlages entweder eine Kette ist, die sie an die niedrigste Gewöhnlichkeit des Daseins fesselt, oder ein Flügel, der sie zu den höchsten Gipfeln der menschlichen Gesellschaft erhebt? Die Frau, die Sie, mein Herr, brauchen, und auf die Sie vielleicht nicht so lange zu warten haben werden, wenn Sie sich nicht mit unverständlicher Hast von der ersten sich darbietenden Mitgift kapern lassen, müßte fähig sein, Sie zu verstehen, weil sie schon erraten hat, was Sie wollen; sie würde Ihre Mitarbeiterin, Ihre einsichtsvolle Vertraute sein, nicht bloß ein lebendiger Küchentopf; die heute Ihre Privatsekretärin ist, würde morgen wahrscheinlich die Gemahlin eines Deputierten, eines Gesandten sein; sie würde fähig sein, Ihnen ihr Gefühl als Sprungfeder, ihren Salon als Bühne, ihre Beziehungen als Aufstiegsleiter darzubieten, und würde für alles, was sie Ihnen von Schwung und Kraft mitteilt, nichts anderes verlangen, als sich neben Ihrem Thron in Ihrem Ruhm und Glanz zu sonnen, die sie bei Ihnen vorausgeahnt hatte!«
    Berauscht von ihren eigenen Worten, bot die Ungarin einen prachtvollen Anblick dar mit ihren funkelnden Augen und ihren geblähten Nasenflügeln; die Perspektiven, die ihre warme Beredsamkeit entrollte, schien sie selbst vor sich zu sehen und mit ihren bebenden Händen zu berühren.
    La Peyrade war einen Augenblick wie geblendet vor diesem Sonnenaufgang, den sie seine Strahlen über sein Leben werfen ließ.
    Dennoch konnte er, da er ein außerordentlich vorsichtiger Mensch war, der sich zum Gesetz gemacht hatte, nur auf gute und leicht verkäufliche Pfänder zu leihen, sich nicht enthalten, die Situation sorgsam abzuwägen.
    »Sie haben mir eben vorgeworfen, Frau Gräfin,« sagte er, »daß ich wie ein Bourgeois rede, und ich, ich fürchte, daß Sie wie eine Göttin sprechen. Ich bewundere Sie, ich höre Ihnen zu, aber ich bin nicht überzeugt. Solch eine Hingebung, solch eine erhabene Selbstverleugnung, die findet man vielleicht im Himmel; aber auf Erden? Wer kann sich rühmen, sie hier erlebt zu haben?«
    »Sie täuschen sich, mein Herr, solche Opferbereitschaft ist selten, aber sie ist weder unglaubhaft noch unmöglich; man muß sie bloß aufzufinden und

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