Die Kleinbürger (German Edition)
mitzukommen.«
»0 nein, wahrhaftig nicht!« sagte Barbet junior; »wenn ich frühstücke, dann frühstücke ich, und wenn der Staatsanwalt eine Dummheit begangen hat, um so schlimmer für ihn!«
»Aber wenn das eine ernsthafte Anklage ist?« rief Thuillier in höchster Aufregung.
»Nun, dann werde ich sagen, was wahr ist, daß ich kein Wort von Ihrer Broschüre gelesen habe. Es ist dabei nur eins unangenehm: diese verdammten Geschworenen können die Bärte nicht leiden; ich werde mir meinen abnehmen lassen müssen, wenn ich vor ihnen zu erscheinen habe.«
»Ach, mein verehrter Gastgeber, setzen Sie sich doch wieder zu uns,« sagte der Chefredakteur des ›Echo de la Bièvre‹, »wir werden Ihnen schon beistehen: ich habe bereits einen Artikel im Kopfe, der unter den Gerbern einen Aufruhr hervorrufen wird; diese ehrenwerte Körperschaft bedeutet eine Macht.«
»Nein, meine Herren,« sagte Thuillier, »nein! Ein Mann wie ich läßt auch nicht eine halbe Stunde lang eine solche Beschuldigung, wie sie mich betroffen hat, auf sich sitzen. Lassen Sie sich nicht stören, ich hoffe, bald wieder bei Ihnen zu sein. – Kommst du mit, la Peyrade?«
»Der Mann ist gut!« sagte Barbet, als er Thuillier mit seinem Ratgeber sich entfernen sah; »ein Frühstück nach den Austern im Stiche lassen, um sich mit einem Kerl von Staatsanwaltsgehilfen zu unterhalten! Vorwärts, meine Herren, rücken wir zusammen«, fügte er in gehobener Stimmung hinzu.
»Seht mal,« sagte einer der verhungerten Journalisten, der einen Blick auf den Garten des Palais Royal geworfen hatte, nach dem die Fenster des Salons hinausgingen, »da geht Barbanchu! Soll ich ihn nicht hereinrufen?« »Aber natürlich!« sagte Barbet junior und parodierte eine Anzeige, die an allen Straßenecken zu lesen war: »Von einem Familienvater wird ein Ersatzmann gesucht.«
»Barbanchu, Barbanchu!« schrie jetzt das sogenannte Pressemitglied.
Barbanchu, mit einem spitzen Hut auf dem Kopfe, brauchte lange Zeit, bis er erkannte, aus welcher »Wolke« eine Stimme zu ihm sprach.
»Hierher!« rief die Stimme, die ihm vom Himmel zu kommen schien, als er sich von einem Manne angerufen hörte, der ein Glas Champagner in der Hand hielt.
Und als er noch zu zaudern schien, schrie der ganze Chorus:
»Komm doch rauf, komm doch rauf, wir machen hier ›Fettlebe‹!«
Als er von dem Staatsanwalt herauskam, konnte sich Thuillier nicht die mindeste Illusion mehr machen. Er stand unter einer sehr ernsten Anklage, und nach der strengen Art, wie man ihn empfangen hatte, ließ alles darauf schließen, daß er nicht auf die geringste Nachsicht würde rechnen können.
Wie es nun immer unter Mitschuldigen geschieht, wenn ein gemeinsames Unternehmen fehlgeschlagen ist, begannen jetzt recht scharfe Angriffe gegen la Peyrade: er habe auf das, was er schrieb, gar nicht aufgepaßt und seinen unsinnigen Saint-Simonistischen Ideen freien Lauf gelassen; es wäre ihm gleich, was daraus entstünde! Er brauche ja keine Strafe zu zahlen und ins Gefängnis zu gehen! Und als la Peyrade dann antwortete, die Sache erschiene ihm nicht bedenklich, und er mache sich anheischig, ein »Nichtschuldig« durchzusetzen, entgegnete ihm Thuillier:
»Natürlich, das ist ja ganz einfach! Der Herr betrachtet die Sache nur unter dem Gesichtspunkte, was er damit für Effekt machen kann; aber ich werde meine Ehre und mein Vermögen nicht einem so leichtsinnigen Menschen anvertrauen. Ich werde mir einen von den bedeutenden Advokaten nehmen, wenn es zur Verhandlung kommt. Ich habe genug von einem solchen Mitarbeiter!«
Die Ungerechtigkeit dieser Vorwürfe trieb la Peyrade das Blut zu Kopfe. Gleichwohl, da er sich entwaffnet sah und einen Bruch vermeiden wollte, trennte er sich schließlich von Thuillier mit den Worten, daß er ihm, als einem von der Angst aufgeregten Menschen, verzeihe und ihn nachmittags, wenn er sich etwas mehr beruhigt hätte, aufsuchen wolle; man könne sich dann gleichzeitig über die zu unternehmenden Schritte verständigen.
Um vier Uhr begab sich der Provenzale auch wirklich in das Haus am Boulevard de la Madeleine. Thuilliers Erregung hatte sich gelegt und einem erschreckenden Zustande von Bestürzung Platz gemacht. Wenn es ihm bevorgestanden hätte, eine halbe Stunde später aufs Schafott geführt zu werden, hätte er nicht aufgelöster und niedergeschlagener sein können. Als der Advokat eintrat, war Frau Thuillier damit beschäftigt, ihm Lindenblütentee einzuflößen. Die arme Frau hatte
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