Die Kleinbürger (German Edition)
Arbeitszimmer des Rentiers geführt, sah er sich zu seinem nicht geringen Erstaunen dem angeblichen Kommandeur, dem Freunde der Frau von Godollo, oder wenn man lieber will, dem kleinen Alten gegenüber, den er kurz vorher bei den Thuilliers erblickt hatte. »Endlich!« sagte du Portail und erhob sich, um einen Stuhl heranzurücken, »endlich sieht man Sie, Sie widerspenstiger Mann; Sie haben sich recht lange nötigen lassen!«
»Darf ich fragen, mein Herr,« sagte la Peyrade stolz und ohne sich zu setzen, »welches Interesse Sie daran haben, sich in meine Angelegenheiten zu mischen? Ich kenne Sie nicht, und ich darf hinzufügen, daß der Ort, wo ich Sie ein einziges Mal gesehen habe, nicht gerade einen übermäßigen Wunsch bei mir hervorgerufen hat, Ihre Bekanntschaft zu machen.«
»Wo haben Sie mich denn gesehen?« fragte du Portail.
»Bei einem gemeinen Frauenzimmer, das sich mit Gräfin von Godollo anreden ließ.«
»Und zu der der Herr auch hingegangen war,« sagte der kleine Alte, »und zwar mit viel persönlicherem Interesse als ich.«
»Ich bin nicht hierhergekommen,« sagte Theodosius, »um einen geistreichen Disput zu halten. Ich habe das Recht, von Ihnen, mein Herr, Erklärungen über Ihr Vorgehen in bezug auf mich zu verlangen; ich darf Sie daher bitten, diese Erklärungen nicht länger durch Scherze hinauszuschieben, zu denen ich nicht die geringste Lust habe, mich herzugeben.«
»Nun, mein Lieber, dann setzen Sie sich, denn ich habe auch keine Lust, mir den Hals zu verrenken, wenn ich so von unten herauf mich mit Ihnen unterhalten soll.«
Diese Aufforderung war durchaus begründet und in einem Tone gehalten, der annehmen ließ, daß sich der Rentier durch großartige Manieren nicht sehr einschüchtern ließ. La Peyrade entschloß sich also, dem Wunsche des Hausherrn zu willfahren, aber er bemühte sich, das so unwillig als möglich zu tun.
»Herr Cérizet,« sagte du Portail, »ein Mann in ausgezeichneter gesellschaftlicher Position, der die Ehre hat, zu Ihren Freunden zu gehören ...«
»Ich sehe diesen Mann nicht mehr«, unterbrach ihn la Peyrade lebhaft, der die maliziöse Absicht des Alten wohl verstand.
»Also jedenfalls zu der Zeit, als Sie ihn noch zuweilen sahen,« fuhr du Portail fort, »zum Beispiel bei dem Diner im ›Rocher de Cancale‹, da hatte ich den ehrenwerten Herrn Cérizet beauftragt, Sie wegen einer Heirat zu sondieren ...«
»Die ich abgelehnt habe,« unterbrach ihn Theodosius, »und die ich entschiedener als je ablehne.«
»Das ist die Frage«, fuhr der Rentier fort; »ich denke im Gegenteil, daß Sie darauf eingehen werden, und gerade um von dieser Sache zu reden, wünsche ich schon seit so langer Zeit eine Zusammenkunft mit Ihnen.«
»Aber in welcher Beziehung,« sagte Ja Peyrade, »steht denn diese Irre, die Sie mir an den Hals werfen wollen, zu Ihnen? Es ist weder Ihre Tochter noch eine Verwandte von Ihnen, wie ich annehme, denn sonst würden Sie bei Ihrer Jagd auf einen Mann für sie wohl mehr Zartgefühl entwickeln.«
»Das Mädchen ist die Tochter eines meiner Freunde,« sagte du Portail; »sie hat ihren Vater schon vor mehr als zehn Jahren verloren; seit dieser Zeit habe ich sie zu mir genommen und sie mit all der Sorgfalt umgeben, die ihr trauriger Zustand verlangte; ihr Vermögen, das ich noch erheblich vermehrt habe und zu dem noch das meinige kommt, das ich ihr zu hinterlassen gedenke, macht sie zu einer sehr reichen Partie. Wie ich weiß, sind Sie kein Feind einer großen Mitgift und suchen nach einer solchen an den übelsten Stellen, zum Beispiel in einem Hause wie dem Thuilliers, oder, um mich Ihres Ausdrucks zu bedienen, bei einem ›gemeinen Frauenzimmer‹, das Sie kaum kennen; ich habe mir daher gedacht, daß Sie auch eine aus meiner Hand annehmen würden, zumal die Krankheit meines jungen Mädchens von den Ärzten für leicht heilbar erklärt worden ist, während Sie Herrn und Fräulein Thuillier niemals davon werden kurieren können, daß der eine ein Dummkopf und die andern eine Megäre ist, ebensowenig wie Sie Frau Komorn davon heilen werden, daß sie eine Dame von sehr mäßiger und sehr zweifelhafter Tugendhaftigkeit ist.«
»Wenn es mir so paßt,« antwortete la Peyrade, »kann ich auch das Mündel eines Dummkopfs und einer Megäre heiraten; ebenso kann ich der Gatte einer Kokette werden, wenn eine Leidenschaft mich dazu treibt; wenn man mir aber selbst die Königin von Saba aufzwingen wollte, so werden weder Sie, mein Herr, merken Sie
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