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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Etagere, darunter junge, blasse und kranke, so daß bei den verschiedenen Farben der Halstücher, Hauben, Röcke und Schürzen dieser Vergleich treffender als jeder andere erscheinen dürfte. Dutocq wurde beinahe ohnmächtig, als er die Tür zu dem Raum öffnete, in dem schon sechzig Personen ihre Ausdünstungen zurückgelassen hatten.
    »Ihre Nummer, Ihre Nummer!« schrien alle.
    »Haltet die Schnauze!« rief eine rauhe Stimme von der Straße her, »das ist ja die Feder des Friedensrichters.«

Es entstand ein tiefes Schweigen. Dutocq fand seinen Sekretär in einer Weste aus gelbem Leder, wie die Handschuhe der Gendarmerie, über der Cérizet eine häßliche gestrickte Wolljacke anhatte. Man kann sich das kranke Gesicht vorstellen, das aus einem solchen Futteral herausguckte, über dem ein schlechtes seidenes Käppchen die Stirn und den haarlosen Hinterkopf sehen ließ und so diesem Antlitz einen ebenso scheußlichen wie drohenden Ausdruck, zumal beim Licht einer Kerze, von denen zwölf aufs Pfund gehen, verlieh.
    »So geht das nicht, Vater Lantimèche«, sagte Cérizet zu einem, der siebzig Jahre auf dem Rücken zu haben schien und vor ihm mit seiner rotwollenen Mütze in der Hand stand; sein Kopf war kahl und seine weiß behaarte Brust zeigte häßliche rote Pickel. »Sie müssen mir erklären, was Sie unternehmen wollen! Hundert Franken, auch wenn Sie mir hundertzwanzig wiedergeben wollen, die läßt man nicht davonlaufen, wie einen Hund in die Kirche ...«
    Die fünf übrigen Anwesenden, darunter zwei Frauen, beide mit Säuglingen, von denen die eine strickte, die andere nährte, brachen in ein Gelächter aus.
    Als er Dutocq erblickte, erhob sich Cérizet respektvoll, ging ihm rasch entgegen und sagte noch, zu dem Alten:
    »Sie können sich die Sache noch überlegen; denn, sehen Sie, was mich dabei beunruhigt ist, daß ein alter Schlossermeister eine Summe von hundert Franken verlangt.«
    »Aber es handelt sich doch um eine Erfindung!« rief der alte Arbeiter aus.
    »Eine Erfindung und hundert Franken?! ... Sie kennen die gesetzlichen Vorschriften nicht; dazu sind zweitausend Franken erforderlich«, sagte Dutocq; »man muß ein Patent haben und Protektion.«
    »Das ist wahr,« sagte Cérizet, der sehr auf solche günstige Gelegenheitsgeschäfte rechnete, »also kommen Sie morgen früh um sechs Uhr wieder, Vater Lantimèche, dann wollen wir weiter darüber sprechen: in Gesellschaft kann man nicht gut über eine Erfindung reden ...«
    Das erste Wort, das Cerizet von Dutocq hörte, war: »Wenn es eine gute Sache ist, dann Halbpart! ...«
    »Sind Sie vielleicht deshalb so früh aufgestanden, um mir das zu sagen?« fragte der mißtrauische Cérizet, der sich über das »Halbpart« geärgert hatte. »Sie hätten mich ja auf dem Gericht getroffen.«
    Und er sah Dutocq verstohlen an; dieser, obwohl er ihm nichts vorlog und von Claparon und der Notwendigkeit, die Angelegenheit mit Theodosius zu beschleunigen, sprach, schien sich dabei zu verwickeln.
    »Sie hätten mich jedenfalls heute früh auf dem Gericht sprechen können ...« wiederholte Cérizet, während er Dutocq bis zur Tür begleitete.
    »Das ist einer,« sagte er zu sich und setzte sich wieder auf seinen Platz, »der mir die Laterne ausgeblasen zu haben scheint, damit ich nicht klar sehe. Na, dann werden wir unsere Sekretärstelle aufgeben ... Sie sind dran, Mütterchen!« rief er; »Sie erfinden Kinder ... Das ist lustiger, obgleich das eine bekannte Sache ist!«
    Es ist um so weniger erforderlich, über die Zusammenkunft der drei Spießgesellen zu berichten, als die dabei getroffenen Verabredungen die Grundlage für die vertrauliche Unterhaltung zwischen Theodosius und Fräulein Thuillier bildeten; aber es ist nötig, darauf hinzuweisen, daß die Gewandtheit, die la Peyrade dabei entwickelte, Cérizet und Dutocq beinahe verblüffte. Seit dieser Konferenz war bei dem Bankier der Armen der Gedanke aufgetaucht, seine Hand aus dem Zusammenspiel zu ziehen, da er sich so klugen Gegenspielern gegenüber sah. Eine Partie um jeden Preis zu gewinnen und die geschicktesten Gegner zu überwinden, sei es auch durch eine Schurkerei, das verlangt die den Freunden des grünen Tisches eigene Eitelkeit. Das wurde der Anlaß zu dem fürchterlichen Schlage, der la Peyrade treffen sollte.
    Dieser kannte übrigens seine beiden Spießgesellen genau; daher strengte ihn, trotz der beständigen Anspannung seiner Geisteskraft, trotz des andauernden Aufpassens, die seine zehn

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