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Die kleine Schwester

Die kleine Schwester

Titel: Die kleine Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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ist ein feiner Herr, und feine Herren laufen nicht herum und stecken den Leuten Eisdorne rein. Sie geben Aufträge.«
    »Haben Sie denn mal was über Moyer in der Hand gehabt?« fragte ich.
    French sah mich scharf an. »Wieso?«
    »Ich hatte nur eine Idee. Aber sie ist sehr wackelig«, sagte ich.
    French sah langsam zu mir herüber. »Nur unter uns Pfarrerstöchtern«, sagte er, »wir haben nie wirklich beweisen können, daß der Kerl, den wir geschnappt hatten, Moyer war. Verbreiten Sie's nicht weiter. Das soll niemand wissen, außer ihm selbst, und sein Anwalt, und der Bezirksrichter und die Streifenpolizei und das Rathaus und circa zwei-oder dreihundert andere Leute.«
    Er schlug sich mit der leeren Brieftasche des toten Mannes an die Hüfte und setzte sich aufs Bett. Er lehnte sich nachlässig an das Leichenbein, machte eine Zigarette an und gestikulierte mit ihr.
    »Aber jetzt haben wir genug herumgesponnen. Also, Fred, wie weit sind wir jetzt? Erst mal, dieser Kunde hier war nicht sehr helle. Er lief unter dem Namen Dr. G. W.
    Hambleton und hatte gedruckte Karten mit einer El Centro Adresse und einer Telefonnummer. Man brauchte nur zwei Minuten, um rauszukriegen, daß so eine Adresse und so eine Telefonnummer nicht existieren. Ein heller Junge gibt sich nicht so eine Blöße. Weiter, der Bursche ist jedenfalls nicht bei Kasse. Er hat vierzehn Lappen hier drin und so circa zwei Dollar Kleingeld. An seinem Schlüsselbund gibt's keinen Autoschlüssel oder Tresorschlüssel oder irgendeinen Hausschlüssel. Alles, was er hat, ist ein Kofferschlüssel und sieben zurechtgefeilte Hauptschlüssel. übrigens erst kürzlich zurechtgefeilt. Ich schätze, er wollte sich wohl ein bißchen im Hotel umsehen. Meinen Sie, daß diese Schlüssel in Ihrem Schuppen hier gehen würden, Flack?«
    Flack kam herüber und starrte auf die Schlüssel. »Zwei davon haben die richtige Größe«, sagte er. »Bloß vom Hinsehen kann ich nicht sagen, ob sie gehen. Wenn ich einen Hauptschlüssel will, muß ich zum Büro gehen. Ich habe nur einen Außenschlüssel. Ich kann ihn nur benutzen, wenn der Gast fort ist.« Er zog einen Schlüssel aus der Tasche, einen Schlüssel an einer langen Kette, und verglich ihn. Er schüttelte den Kopf. »Die passen nicht, da müßte man noch dran arbeiten«, sagte er.
    »Noch viel zuviel Metall dran.«
    French knipste Asche in seinen Handteller und blies sie herunter. Flack kehrte zu seinem Stuhl am Fenster zurück.
    »Nächster Punkt«, erklärte Christy French. »Er hat keinen Führerschein und überhaupt keinen Ausweis. Keines von seinen Kleidungsstücken ist in EI Centro gekauft.
    Irgendeine Tour zum Geldverdienen hatte er, aber er sieht nicht so aus, und er ist nicht der Typ von einem Scheckbetrüger.«
    »Sie haben ihn ja nicht in seinen guten Zeiten gesehen«, warf Beifus ein.
    »Und dieses Hotel ist sowieso der falsche Schuppen für sowas«, fuhr French fort. »Es hat einen miesen Ruf.«
    »Jetzt hören Sie mal!« wollte Flack anfangen.
    French unterbrach ihn mit einer Handbewegung. »Ich kenne jedes Hotel in der Gegend.
    In meinem Beruf muß ich sie kennen. Für fünfzig Lappen könnte ich in jedem Zimmer in diesem Hotel in einer Stunde einen doppelten Striptease mit französischen Extras kriegen. Sie können mir nichts vormachen. Sie haben Ihren Job und ich habe meinen.
    Aber machen Sie mir nichts vor. Also gut. Der Gast hatte etwas bei sich, das er nicht gern hier behalten wollte. Das heißt, er wußte, daß jemand hinter ihm her war und immer näher kam. Also bietet er Marlowe hundert Dollar, damit er es für ihn verwahrt.
    Aber er hat nicht soviel Geld bei sich. Also muß er vorgehabt haben, Marlowe in die Sache hereinzuziehen, wo Geld herausschaute. Geklaute Juwelen können es nicht gewesen sein. Es mußte schon etwas Halblegales sein. So richtig, Marlowe?«
    »Das >halb< können Sie weglassen«, sagte ich.
    French lächelte schwach. »Also muß das, was er hatte, etwas gewesen sein, das man flach oder zusammengerollt lagern konnte - in einem Telefonkasten, in einem Hutband, in einer Bibel, in einer Talkbüchse. Wir wissen nicht, ob es gefunden wurde oder nicht.
    Aber wir wissen, daß wenig Zeit war. Nicht viel mehr als eine halbe Stunde.«
    »Wenn es Dr. Hambleton selbst war, der telefoniert hat«, sagte ich. »Dieses Schlupfloch haben Sie selbst gebohrt.«
    »Irgendwie wäre das sinnlos. Die Killer haben doch kein Interesse, daß er schnell gefunden wird. Wozu sollten sie jemanden hierher in

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