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Die kleine Schwester

Die kleine Schwester

Titel: Die kleine Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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dieses Zimmer locken?« Er wandte sich an Flack. »Kann man irgendwie feststellen, wer ihn besucht hat?«
    Flack schüttelte düster seinen Kopf. »Man braucht nicht am Empfangsschalter vorbei, um zum Lift zu kommen.«
    Beifus sagte: »Vielleicht war das ein Grund, warum er hier eingezogen ist. Das, und die gemütliche Atmosphäre.«
    »Na gut«, sagte French. »Der, der ihn umgelegt hat, konnte rein und raus, ohne daß jemand fragte. Alles, was er wissen mußte, war die Zimmernummer. Und das ist auch ungefähr alles, was wir wissen. Stimmt's, Fred?«
    Beifus nickte.
    Ich sagte: »Nicht ganz. Es ist eine hübsche Perücke, aber es ist eben eine Perücke.«
    French und Beifus drehten sich gleichzeitig um. French streckte seine Hand aus, nahm vorsichtig das Haar von dem toten Mann und pfiff durch die Zähne. »Ich habe mich vorhin schon gewundert, was dieser verdammte Arzt so zu grinsen hat«, sagte er. »Der Saukerl hat es noch nicht mal erwähnt. Siehst du, was ich sehe, Fred?«
    »Ich sehe bloß einen Kerl ohne Haar«, antwortete Beifus.
    »Vielleicht hast du ihn wirklich nie gesehen. Mileaway Marston. Hat früher für Ace Devore geschmuggelt.«
    »Tatsächlich!« Beifus lachte leise. Er lehnte sich hinüber und klopfte sanft auf den toten Kahlkopf. »Wie ist es dir denn immer ergangen, Mileaway? Ich hab dich so lange nicht bei uns gesehen, daß ich dich fast vergessen hätte. Aber wir kennen uns ja. Immer auf die sanfte Tour.«
    Der Mann da auf dem Bett sah alt und hart aus, eingeschrumpft, ohne seine Perücke.
    Die gelbe Maske des Todes begann starre Züge in sein Gesicht zu drücken.
    French sagte ruhig: »Na, jetzt ist mir schon wohler. Dieser Gauner wird uns nicht rund um die Uhr beschäftigen. Soll er doch zum Teufel gehen.« Er legte die Perücke zurück, über ein Auge und erhob sich vom Bett. »Und ihr beide habt jetzt genug gekriegt«, sagte er zu Flack und mir.
    Flack stand auf.
    »Besten Dank für den Mord, Liebling«, sagte Beifus zu ihm. »Falls Sie noch mehr haben in Ihrem netten Hotel, vergessen Sie unseren Service nicht. Wenn er auch nicht gut ist, aber er ist prompt.«
    Flack ging durch den Flur und riß die Tür auf. Ich folgte ihm nach draußen. Auf dem Weg zum Lift sprachen wir nichts. Auch nicht auf dem Weg nach unten. Ich wanderte neben ihm her in sein kleines Büro, ging hinter ihm hinein und schloß die Tür. Er schien überrascht.
    Er setzte sich an seinen Schreibtisch und griff nach dem Telefon. »Ich muß dem zweiten Geschäftsführer einen kurzen Bericht geben«, sagte er. »Wünschen Sie etwas?«
    Ich quirlte eine Zigarette zwischen meinen Fingern, hielt dann ein Streichholz dran und blies langsam den Rauch über den Tisch. »Einhundertfünfzig Dollar«, sagte ich.
    Flacks kleine, aufmerksame Augen verwandelten sich in runde Löcher in einem von jedem Ausdruck gereinigten Gesicht. »Machen Sie keine Witze, wo's nicht paßt«, sagte er.
    »Nach den Darbietungen dieser beiden Witzbolde da oben könnten Sie mir das kaum verbieten. Aber ich mache keine Witze.« Ich trommelte ungeduldig auf den Schreibtischrand und wartete.
    Über Flacks kleinem Bärtchen erschienen kleine Schweißperlen. »Ich hab was zu erledigen«, sagte er nun mit einem Kloß in der Kehle. »Hauen Sie ab und bleiben Sie dort.«
    »Na so was! So ein harter kleiner Junge«, sagte ich. »Dr. Hambleton hatte 164 Dollar in seiner Brieftasche, als ich ihn durchsuchte. Und er hat mir hundert Dollar versprochen, zum Behalten, das haben Sie doch gehört. jetzt sind in derselben Brieftasche noch vierzehn Dollar. Und die Zimmertür habe ich nicht abgesperrt. jemand anders hat sie abgesperrt. Sie haben sie abgesperrt, Flack.«
    Flack griff an seine Stuhllehne und drückte sie. Seine Stimme kam aus einem Brunnenloch, als er sagte- »Sie können mir nichts beweisen.«
    »Muß ich das?«
    Er holte die Pistole aus seinem Gürtel und legte sie auf den Schreibtisch vor sich hin. Er starrte darauf herab. Die Pistole konnte ihm auch keinen Rat geben. Er nahm die Augen wieder hoch und sah mich an: »Sagen wir - Fiftyfifty?« sagte er niedergeschlagen.
    Einen Augenblick herrschte Schweigen zwischen uns. Er zog sein altes, schäbiges Portemonnaie heraus und suchte darin herum. Er holte eine Handvoll Münzen heraus und breitete Scheine auf dem Schreibtisch aus, teilte sie in zwei Haufen und schob einen zu mir. Ich sagte: »Ich will die ganzen hundertfünfzig.«
    Er kauerte sich in seinen Sessel und starrte auf eine Tischecke. Nach einer langen

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