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Die kleine Schwester

Die kleine Schwester

Titel: Die kleine Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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irgendwie Ihr Interesse für Zimmer 332 erregen?«
    »Sie sagen, er war nicht da«, sagte Flack gereizt. »Na und? Er war nicht da.«
    »Ich habe nicht gesagt, daß er nicht da war. Ich habe gesagt, er machte nicht auf.«
    Flack beugte sich vor. Mit äußerster Langsamkeit nahm er die Trümmer der Zigarre aus seinem Mund und tat sie in den Aschenbecher. »Also mal los. Äußern Sie sich deutlicher«, sagte er mit Vorsicht.
    »Vielleicht laufen Sie mal rauf und schauen nach«, sagte ich. »Vielleicht ist es schon eine Weile her, seit Sie mal eine gute Arbeit mit einem Eisdorn gesehen haben.«
    Flack legte seine Hände auf die Seitenlehnen seines Stuhls und preßte sie fest an das Holz. »Ää«, sagte er schmerzlich. »Ää.« Er rappelte sich auf und öffnete seine Schreibtischschublade. Er nahm einen großen schwarzen Revolver heraus, klappte das Magazin heraus, betrachtete die Ladung, blinzelte durch den Lauf, klickte die Trommel wieder ein. Er knöpfte seine Weste auf, steckte den Revolver in seinen Gürtel. Im Notfall hätte er ihn wohl in weniger als einer Minute erreichen können. Er stülpte sich seinen Hut auf und machte eine Daumenbewegung zur Tür.
    Wir gingen schweigend in den dritten Stock. Wir gingen den Flur entlang. Nichts hatte sich verändert. Kein Geräusch hatte zugenommen oder nachgelassen. Flack eilte vorwärts, zur Nummer 332 und klopfte gewohnheitsmäßig. Versuchte, die Tür zu öffnen. Sah sich um, sah mich mit schiefem Mund an.
    »Sie haben gesagt, die Tür sei nicht zugeschlossen«, murrte er.
    »So habe ich's nicht gesagt. Aber sie war unverschlossen.«
    »Jetzt ist sie zu«, sagte Flack und förderte einen Schlüssel an einer langen Kette zutage. Er schloß die Tür auf und warf einen Blick durch den Flur. Er drehte den Knopf langsam und lautlos und stieß die Tür ein paar Zentimeter auf. Er horchte. Von dringen kein Laut. Flack trat noch mal zurück und zog den schwarzen Revolver aus seinem Gürtel. Er zog den Schlüssel aus der Tür, tat sie weit auf und richtete seinen Revolver schön gerade nach vorn wie der finstere Killer-Boss im Mafia-Film. »Gehen wir«, zischte er aus einem Mundwinkel.
    Ober seine Schulter konnte ich sehen, daß Dr. Hambleton genau so wie vorher dalag, aber der Griff des Eisdorns war nicht mehr im Blickfeld. Flack beugte sich vor und bewegte sich, vorsichtig ins Zimmer hinein. Er erreichte die Badezimmertür, legte sein Auge an den Spalt, stieß dann die Tür auf, so daß sie gegen die Wanne prallte. Er ging hinein, kam wieder heraus und trat vorwärts in das Zimmer, alle Muskeln waren gespannt, - ein Mann, der auf Nummer sicher geht.
    Er faßte nach der Schranktür, brachte seinen Revolver in Anschlag und riß sie weit auf.
    Kein Verdächtiger war drin.
    »Schauen Sie unters Bett«, sagte ich.
    Flack beugte sich rasch und schaute unters Bett.
    »Schauen Sie unter den Teppich«, sagte ich.
    »Wollen Sie mich hochnehmen?« Er war böse.
    »Ich seh Sie eben gerne arbeiten.«
    Er beugte sich über den toten Mann und betrachtete den Eisdorn.
    »jemand hat diese Tür verschlossen«, sagte er hochmütig. »Oder Sie haben gelogen, daß sie offen war.«
    Ich sagte nichts.
    »Werden sicher die Bullen gewesen sein«, sagte er langsam. »Hier geht wohl nichts mehr zu vertuschen.«
    »Sie können nichts dafür«, sagte ich zu ihm. »So was passiert sogar in guten Hotels.«

11
    Der rothaarige Assistenzarzt füllte einen Totenschein aus und steckte seinen Kugelschreiber in die Außentasche seiner weißen Jacke. Er klappte den Block zu und hatte ein schwaches Lächeln im Gesicht.
    »Rückenmarksverletzung genau unter dem Hinterhauptknochen. Man könnte meinen«, sagte er sorglos, »ein sehr empfindlicher Punkt. Wenn man weiß, wo er ist. Und vermutlich weiß man das.«
    Der Polizeidetektiv Leutnant Christy French brummte: »Glauben Sie, ich sehe das zum erstenmal?«
    »Nein. Sicher nicht«, sagte der Arzt. Er warf dem toten Mann noch einen letzten Blick zu, drehte sich um und verließ das Zimmer. »Ich benachrichtige den Gerichtsarzt«, rief er über die Schulter. Die Tür schloß sich hinter ihm.
    »Eine Leiche ist für diese Typen nicht mehr als für mich ein aufgewärmter Kohl«, sagte Christy French bitter, in Richtung auf die Tür. Sein Kollege, ein Polizist namens Fred Beifus, kniete auf dem Boden neben dem Telefonklingelgehäuse. Er hatte es eingestäubt, wegen der Fingerabdrücke, und den übrigen Puder weggeblasen. Er betrachtete die Flecken durch ein kleines

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