Die kleine Schwester
Zeit seufzte er. Er legte die bei-, den Haufen aufeinander und schob sie rüber - auf meine Seite des Schreibtisches.
»Ihm hat es nichts mehr genützt«, sagte Flack. »Nimm dein Scheißgeld und verschwinde. Dich vergesse ich nicht, Freundchen. Ich kriege Bauchweh, wenn ich euch bloß sehe, ihr Kerle. Was weiß ich, vielleicht hast du ihm schon einen halben Tausender rausgezogen.«
»Ich würde alles nehmen. Der Killer hätte es auch so gemacht. Wozu die vierzehn Dollar übriglassen?«
»Wozu habe ich ihm denn die vierzehn gelassen?« fragte Flack; seine Stimme war müde, und er machte eine ungewisse Bewegung mit seinen Fingern am Rand des Schreibtisches. Ich nahm das Geld, zählte es und warf es ihm wieder hin.
»Weil Sie diesen Job haben und ihn abschätzen können. Sie wissen, daß er wenigstens die Zimmermiete haben mußte und ein paar Dollar Kleingeld. Die Polizei würde dasselbe erwarten, Da, ich will das Geld nicht. Ich will was anderes.«
Er starrte mich an, sein Mund stand offen.
»Ich will das Geld nicht mehr sehen«, sagte ich.
Er griff danach und stopfte es zurück in sein Portemonnaie. »Was denn anderes?«
Seine Augen waren klein und nachdenklich. Seine Zunge bewegte sich hinter der Unterlippe. »Ihre Lage in diesem Handel scheint mir auch nicht so glänzend zu sein.«
»Ich glaube, da täuschen Sie sich ein bißchen. Wenn ich wieder raufgehen müßte und müßte Christy French und Beifus erzählen, daß ich schon mal da oben war und die Leiche durchsucht habe, dann würden sie mich zwar herunterputzen. Aber sie würden begreifen, daß es nicht wegen einer krummen Tour ist, wenn ich was verschwiegen habe. Sie würden wissen, daß irgendwo dahinter ein Kunde von mir steht, den ich schützen muß. Bei mir würden sie toben und mich anschnauzen. Aber mit Ihnen würden sie was anderes machen. «
Ich hielt an und beobachtete das schwache Glänzen der Feuchtigkeit, die jetzt auf seine Stirn trat. Er schluckte fast. Seine Augen waren voller Elend.
»Hören Sie auf mit der Wichtigtuerei und rücken Sie mal raus mit Ihrem Geschäft«, sagte er. Plötzlich grinste er ziemlich gaunerhaft. »Sin'n bißchen spät dran, um sie zu decken, was?« Der alltägliche, höhnische Ausdruck, den er sonst an sich hatte, kehrte wieder in sein Gesicht zurück - ganz allmählich, aber gern.
Ich drückte meine Zigarette aus, holte eine neue heraus und machte der Reihe nach alle die langsamen, sinnlosen, beruhigenden Gesten des Anzündens, Wegtuns des Streichholzes, des Rauchausstoßens nach einer Seite, tief Inhalierens, als ob dieses schäbige kleine Büro eine Bergspitze wäre, hoch über dem wogenden Ozean - alle die ausgelaugten, abgedroschenen Manieriertheiten meines Berufs.
»Na schön«, sagte ich. »Ich gebe ja zu, daß es 'ne Frau war. Ich gebe zu, daß sie da oben gewesen sein muß, als er schon tot war, wenn Sie das befriedigt. Ich glaube, nur wegen des Schocks ist sie weggerannt.«
»Na klar«, sagte Flack boshaft. Das breite höhnische Grinsen war wieder heimgekehrt.
»Oder vielleicht hatte sie schon einen Monat lang keinen mehr erstochen. Irgendwie aus der Übung.«
»Aber warum mußte sie seinen Schlüssel nehmen«, sagte ich, wie zu mir selbst. »Und warum wird er am Empfang abgegeben? Warum geht man nicht weg und läßt alles wie's ist? Und wenn man schon unbedingt abschließen mußte - warum kann man den Schlüssel nicht in eine Sandkiste werfen und zuschütten? Oder ihn mitnehmen und verlieren? Warum mit dem Schlüssel etwas machen, was sie mit dem Zimmer in Zusammenhang brachte?« Ich ließ meine Augen abwärts wandern und starrte Flack an
- schwer und dumm. »Es sei denn natürlich, daß man sie gesehen hat, als sie das Zimmer verließ - schon den Schlüssel in der Hand - und daß man ihr aus dem Hotel heraus folgte.«
»Wozu hätte irgend jemand das tun sollen?« fragte Flack.
»Weil der, der sie sah, sofort hätte in das Zimmer gehen können. Weil er einen Hauptschlüssel hatte.«
Flacks Augen sprangen auf, sahen mich an und senkten sich wieder - alles in einem Zug.
»Er muß ihr also gefolgt sein«, sagte ich, »er muß gesehen haben, wie sie den Schlüssel am Schalter hingelegt hat und aus dem Hotel schlenderte, und er muß ihr noch etwas weiter gefolgt sein.« .
Flack sagte witzig: »Wie kommt es nur, daß Sie so toll sind?«
Ich lehnte mich vor und zog das Telefon zu mir her. »Ich rufe lieber Christy an, damit es vorbei ist«, sagte ich. »je länger ich drüber nachdenke, desto
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