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Die kleine Schwester

Die kleine Schwester

Titel: Die kleine Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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Immer gleich. Sogar in meinem Büro.«
    »In Ihrem Büro?« fragte ich, und niemand konnte blöder aussehen, niemand bei irgendeiner Frage.
    Er hob seine weißlichen Augenbrauen in meine Richtung, nahm eine einfache braune Zigarre aus dem Mund, biß das Ende davon ab und spuckte es in den Teich.
    »Das ist nicht gut für die Fische«, sagte ich.
    Er sah mich von unten herauf an. »Ich züchte Boxer. Zum Teufel mit den Fischen.«
    Ich dachte, es ist eben Hollywood. Ich zündete eine Zigarette an und setzte mich auf die Bank. »Also in Ihrem Büro«, sagte ich. »Na ja, jedem Tierchen sein Pläsierchen -
    stimmt's?«
    »Machen es an die Ecke vom Schreibtisch. Immer wieder. Macht meine Sekretärinnen wahnsinnig. Sie sagen, es zieht in den Teppich, sagen sie. Was ist bloß heutzutage mit den Weibern los? Mich stört das nicht. Ich habe es sogar ganz gern. Man hat die Hunde immer lieber, man sieht sie sogar gerne pissen.«
    Einer der Hunde schmiß eine herrlich blühende Begonie vor seine Füße auf den Fliesenweg. Er nahm sie und warf sie in den Teich.
    »Die Gärtner werden das nicht mögen, schätze ich«, bemerkte er und setzte sich wieder hin. »Na ja, wenn es ihnen nicht paßt, können sie immer ... « Er hörte plötzlich auf und beobachtete ein schlankes Mädchen, eine Botin in gelben Hosen, die absichtlich einen Umweg machte, um durch den Innenhof zu kommen. Sie warf ihm einen schnellen Blick zu und ging weiter - mit Musik in den Hüften.
    »Wissen Sie, was mit diesem Geschäft los ist?« fragte er.
    »Das weiß keiner«, sagte ich.
    »Zuviel Sex«, sagte er. »Nichts dagegen zur rechten Zeit und am rechten Ort. Aber wir kriegen es in Waggonladungen. Wir waten darin. Wir haben es bis zum Hals. Allmählich wird es so klebrig wie Fliegenfänger.« Er stand auf. »Und außerdem haben wir zu viele Fliegen. Erfreut, Sie zu treffen, Mister ... «
    »Marlowe«, sagte ich. »Sie werden mich nicht kennen.«
    »Ich kenne überhaupt keinen«, sagte er. »Gedächtnis futsch. Sehe zu viele Leute. Ich heiße Oppenheimer.«
    »Jules Oppenheimer?«
    Er nickte. »Genau. Zigarre?« Er hielt mir eine hin. Ich zeigte ihm meine Zigarette. Er schmiß die Zigarre in den Teich, dann verzog er plötzlich das Gesicht. »Gedächtnis is futsch«, sagte er wehmütig. »Jetzt hab ich fünfzig Cents verschwendet. Das sollte ich nicht machen. «
    »Ihnen gehört das Studio«, sagte ich.
    Er nickte abwesend. »Ich hätte die Zigarre aufheben sollen. Spare fünfzig Cents -
    wieviel hast du dann?«
    »Fünfzig Cents«, sagte ich und fragte mich, was er da eigentlich quasselte.
    »In diesem Geschäft nicht. Wenn du fünfzig Cents sparst, zahlst du höchstens noch fünf Dollar für Buchführung.« Er schwieg und machte den drei Boxern ein Zeichen. Sie hörten mit ihrem Buddeln auf und sahen ihn an. »Ich mache bloß das Finanzielle«, sagte er. »Das ist leicht. Kommt, Kinder, heim ins Bordell.« Er seufzte.
    »Fünfzehnhundert Kinos«, fügte er hinzu.
    Ich muß wohl wieder meinen blöden Gesichtsausdruck auf mir gehabt haben. Er winkte mit der Hand zum Innenhof. »Man braucht bloß fünfzehnhundert Kinos. Es ist verdammt noch mal, leichter als reinrassige Boxer zu züchten. Das Filmgeschäft ist das einzige Geschäft auf der Welt, wo man alle Fehler machen kann, die es gibt, und immer noch verdient.«
    »Es muß auch das einzige Geschäft in der Welt sein, in dem man drei Hunde an den Büroschreibtisch pissen lassen kann«, sagte ich.
    »Man muß einfach fünfzehnhundert Kinos haben.«
    »Der Anfang wird schwer sein«, sagte ich.
    Er sah erfreut aus. »Ja. Der ist wirklich schwer.« Er sah über den grünen, kurzgeschorenen Rasen auf das vierstöckige Gebäude, das eine Seite des offenen Rechteckes bildete. »Das da drüben sind alles Büros«, sagte er. »Ich gehe da nie hin.
    Sie sind ständig am Renovieren. Werde ganz krank, wenn ich sehe, was sich die Leute alles in ihre Zimmerfluchten stellen. Es sind die teuersten Spezialisten der Welt. Ich gebe ihnen alles, was sie wollen, soviel Geld sie wollen. Warum? Einfach so, ohne Grund. Gewohnheitssache. Is völlig egal, was sie machen oder wie sie es machen. Man braucht bloß fünfzehnhundert Kinos.«
    »Aber es wäre Ihnen sicher nicht recht, wenn man das schreiben würde, Mr.
    Oppenheimer?«
    »Sind Sie ein Zeitungsmann?«
    »Nein.«
    »Schade. Bloß aus Jux sollte es mal jemand versuchen, diese ganz simple Tatsache in die Zeitung zu bringen.« Er unterbrach sich und schnaubte verächtlich.

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