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Die kleine Schwester

Die kleine Schwester

Titel: Die kleine Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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Empfang Sie auf einer Kopie des Briefes quittieren können. Blah, Blah, Blah.
    Das ist alles, Eileen. Bitte sofort. «
    Ich gab dem Mädchen meine Adresse, und sie ging hinaus. Ich nahm die Drahtspule aus meiner Tasche und legte sie wieder in das Fach zurück.
    Ballou schlug die Beine übereinander; er ließ die glänzende Spitze seines Schuhs auf und ab wippen und betrachtete sie. Er fuhr mit der Hand durch sein festes dunkles Haar.
    »Eines Tages«, sagte er, »werde ich den Fehler machen, vor dem es einem Menschen in meiner Stellung am allermeisten graut. Dann werde ich mit jemandem ein Geschäft machen, auf den ich mich verlassen kann, und ich werde einfach zu clever sein, um ihm wirklich zu vertrauen. Hier, behalten Sie das besser.« Er hielt mir die beiden Stücke des Fotos hin.
    Fünf Minuten später ging ich. Die Glastüren öffneten sich, sobald ich einen Meter vor ihnen war. Ich ging an den beiden Sekretärinnen vorbei und den Gang entlang, vorbei an der offenen Tür von Spinks Büro. Es war kein Geräusch drin, aber ich konnte seinen Zigarrenrauch riechen. Im Empfangsraum schienen noch genau dieselben Leute in den Chintzmöbeln herumzusitzen. Miss Helen Grady schenkte mir ihr Samstagabend-Lächeln. Miss Vane strahlte mich an.
    Ich war vierzig Minuten lang beim Chef gewesen. Nun war ich ein Fabeltier, wie auf einer Darstellung seltener Lebewesen.

19
    Der Studioportier an dem halbkreisförmigen Schreibtisch hinter Glas legte den Telefonhörer auf und kritzelte auf einen Block. Er riß ein Blatt ab und schob es durch den höchstens zwei Zentimeter breiten Schlitz zwischen Glasscheibe und Schreibtischplatte. Seine Stimme kam durch die Sprechmembran, die in die Glasscheibe eingesetzt war; sie klang metallisch.
    »Geradeaus bis zum Ende des Ganges«, sagte er. »Dann werden Sie in der Mitte des Hofes einen Springbrunnen sehen. George Wilson wird Sie dort abholen.«
    Ich sagte: »Danke. Ist das kugelsicheres Glas?«
    »Klar. Wieso?«
    »Nur so«, sagte ich. »Ich habe noch nie gehört, daß sich jemand mit dem Schießeisen eine Filmkarriere verschafft hat.«
    Hinter mir kicherte jemand. Ich drehte mich um und sah ein Mädchen in Hosen, mit einer roten Nelke hinter dem Ohr. Sie grinste.
    »0 Mann, wenn es bloß mit einem Schießeisen ginge!«
    Ich wanderte hinüber zu einer olivgrünen Tür, die keinen Türgriff hatte. Sie gab einen Summton von sich, und ich konnte sie aufstoßen. Dahinter war ein olivgrüner Korridor mit kahlen Wänden und einer Tür am anderen Ende. Eine Falle. Wenn man bis dahin gekommen war und etwas nicht in Ordnung war, konnten sie einen noch immer aufhalten. Die Tür am Ende machte dasselbe Geräusch und klinkte aus. Ich hätte gern gewußt, woher der Portier wußte, daß ich dort angekommen war. Ich sah nach oben und bemerkte seine Augen, die mir über einen schrägen Spiegel nachstarrten. Als ich die Tür berührte, verschwanden die Augen im Spiegel. Die dachten an alles.
    Man war im Freien in der heißen Mittagssonne, Blumen blühten heftig in einem kleinen Innenhof mit Fliesenwegen, einer Marmorbank und einem kleinen Teich in der Mitte.
    Neben der Marmorbank war der kleine Springbrunnen zum Trinken. Auf der Bank ruhte ein älterer, wunderschön angezogener Herr und betrachtete drei beigefarbene Boxerhunde, die gerade einige Begonien-Rosen aus der Erde scharrten. Auf seinem Gesicht war ein Ausdruck von stiller, aber lebhafter Befriedigung. Er beachtete mich nicht, als ich näherkam. Einer der Boxer, der größte von ihnen, lief herbei und wässerte auf die Marmorbank neben sein Hosenbein. Er beugte sich runter und klopfte den harten, kurzbehaarten Hundekopf.
    »Sind Sie Mr. Wilson?« fragte ich,
    Er blickte auf und sah mich ausdruckslos an. Der mittlere der drei Boxer kam dazu und schnüffelte und pißte auf die Pfütze des Vorgängers.
    »Wilson?« Er hatte eine träge Stimme mit etwas südlichem Akzent. »0 nein. Ich heiße nicht Wilson. Müßte ich so heißen?«
    »Verzeihung.« Ich ging zu dem Trinkbrunnen und besprühte mein Gesicht mit dem Wasserstrahl. Während ich es mit einem Taschentuch abwischte, tat der kleinste Boxer seine Schuldigkeit auf der Marmorbank.
    Der Mann, der nicht Wilson hieß, sagte liebevoll: »Sie machen es immer genau in der gleichen Reihenfolge. Es fasziniert mich.«
    »Was machen sie?« fragte ich.
    »Pissen«, sagte er. »Anscheinend nach dem Alter. Sehr ordentlich. Erst Maisie. Sie ist die Mutter. Dann Mac. Der ist ein Jahr älter als Jock, der Kleine.

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