Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die kleine Schwester

Die kleine Schwester

Titel: Die kleine Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
Vom Netzwerk:
ließ.
    Ich setzte mich wieder hin, machte meine Zigarette aus und atmete tief ein. »So was gibt's nur in Hollywood«, brummte ich.
    Er machte eine scharfe Kehrtwendung und sah mich an. »Wie bitte?« »Daß ein augenscheinlich normaler Mensch in einem Haus hin und her stolziert wie ein englischer Gent, mit einem Dandystöckchen in der Hand.«
    Er nickte. »Ich habe mich von einem Produzenten bei M. G. M. anstecken lassen.
    Amüsanter Kerl. jedenfalls hat man es mir erzählt.« Er hielt an und deutete mit dem Stock auf mich, »Sie machen mir Spaß, Marlowe. Also wirklich. Sie sind so durchsichtig. jetzt wollen Sie mich als eine Schaufel benutzen, damit Sie sich aus dem Dreck befreien -können, in dem Sie drin sitzen.«
    »Da ist was Wahres dran. Aber der Dreck, in dem ich sitze, ist gar nichts gegen den Dreck, in dem Ihre Kundin sitzen würde, wenn ich nicht das gemacht hätte, weswegen ich im Dreck sitze.«
    Einen Augenblick lang stand er ganz still. Er schleuderte den Stock von sich weg, wanderte hinüber zu einer Hausbar und machte in einem Schwung beide Schranktüren auf. Er goß irgendwas in zwei dickbauchige Gläser. Eines davon trug er zu mir herüber.
    Dann ging er zurück und holte sein eigenes. Er setzte sich damit auf die Couch.
    »Armagnac«, sagte er. »Wenn Sie mich kennen würden, wüßten Sie die Ehre zu schätzen. Dieses Zeug ist ziemlich rar. Die Deutschen haben fast alles weggeputzt.
    Und den Rest nahmen die unseren. Also Ihr Wohl.«
    Er hob das Glas, schnüffelte und nahm einen winzigen Schluck. Ich goß mir meinen auf einen Zug herunter. Es schmeckte wie guter französischer Weinbrand.
    Ballou schien schockiert. »Lieber Gott, Sie müssen das in kleinen Schlucken nehmen, nicht runterkippen!«
    »Ich kippe es runter«, sagte ich. »Tut mir leid. Sie hat Ihnen auch gesagt, daß sie bös in der Tinte sitzen würde, wenn mir nicht das Maul gestopft würde.«
    Er nickte.
    »Hat sie einen Vorschlag gemacht, wie man mir das Maul stopfen könnte?«
    »Ich hatte den Eindruck, daß sie gerne hätte, wenn man es mit irgendeinem stumpfen Gegenstand erledigte. Also probierte ich es mit einer Mischung aus Schmiergeld und Drohung. Wir haben da weiter unten in der Stadt eine kleine Organisation, die auf den Schutz von Filmleuten spezialisiert ist. Anscheinend haben sie Ihnen keine Angst machen können, und zum Bestechen war es nicht genug Geld.«
    »Die haben mir ganz schön angst gemacht~, sagte ich. »Ich hätte beinahe eine Luger auf sie losgelassen. Dieser Morphinist mit seiner dicken Kanone hat eine Mordsschau abgezogen. Und wenn Sie sagen, es sei nicht genug Geld gewesen - es kommt immer drauf an, wie man es mir anbietet.«
    Er schlürfte noch ein bißchen von seinem Armagnac. Er zeigte auf das Foto, das vor ihm lag - die beiden zusammengefügten Teile.
    »Wir waren soweit, daß Sie das zu den Polypen bringen wollten. Und dann - weiter?«
    »Ich glaube, soweit waren wir noch nicht. Wir waren bei der Frage, warum sie das mit Ihnen besprochen hat, statt mit ihrem Freund. Er war gerade angekommen, als ich fortging. Er hat einen eigenen Schlüssel.«
    »Offenbar hat sie es eben nicht getan.« Er sah mit gerunzelter Stirn in seinen Armagnac.
    »Das gefällt mir«, sagte ich. »Es würde mir noch besser gefallen, wenn der Kerl nicht ihren Wohnungsschlüssel hätte.«
    Er blickte auf - ein bißchen traurig: »Mir auch. Es würde uns allen besser gefallen. Aber bei Schauspielern war es immer so - bei jeder Art von Schauspielerei. Wenn diese Leute nicht so wild und unordentlich leben würden, würden sie auch nicht so starke Gefühle haben - na ja, und dann könnten sie auch solche Gefühle nicht einfangen und sie auf ein paar Meter Zelluloid festhalten oder sie über die Rampe bringen.«
    »Ich rede nicht von ihrem Liebesleben«, sagte ich. »Aber sie muß sich doch nicht unbedingt mit einem zusammentun, dem sie auf den Fersen sind.«
    »Dafür gibt's keinen Beweis, Marlowe.«
    Ich zeigte auf das Foto. »Der Mensch, der das aufgenommen hat, ist vermißt und unauffindbar. Er ist wahrscheinlich tot. Zwei andere Leute, die unter der gleichen Adresse wohnten, sind auch tot. Einer von ihnen wollte diese Bilder verscherbeln, bevor sie ihn totgemacht haben. Sie ist selber in sein Hotel gekommen, um die Ware in Empfang zu nehmen. Der ihn getötet hat, ist auch gekommen. Sie bekam die Ware nicht, und der Killer bekam sie auch nicht. Sie wußten nicht, wo sie suchen sollten.«
    »Und Sie wußten es?«
    »Ich hatte Glück.

Weitere Kostenlose Bücher