Die kleine Schwester
zweitklassigen Stars, ein ziemlich verbreiteter Typ eines Hollywood-Schauspielers, den keiner wirklich mochte, den aber viele schließlich nahmen, weil's nichts Besseres gab.
»Wie wär's, wenn du die Szene noch mal machen würdest, Dick?« fragte die ruhige Stimme, während wir gerade um die Ecke der Kulisse kamen; jetzt sah man, was es war - das rückwärtige Deck einer Vergnügungsjacht. Auf dem Schauplatz waren zwei Mädchen und drei Männer. Einer von ihnen war mittleren Alters, in Sportkleidung, und lümmelte sich auf einem Decksessel. Einer trug weiße Hosen und hatte rotes Haar und sah aus wie der Jachtkapitän. Der dritte war ein Jachtamateur mit einer hübschen Mütze, die blaue Jacke mit Goldknöpfen, mit weißen Schuhen und weißen Hosen und hochmütigem Charme. Das war Torrance. Eine der Damen war eine dunkle Schönheit, die mal jünger gewesen war: Susan Crawley. Die andere war Mavis Weld. Sie trug einen weißen Badeanzug aus Haifischhaut. Offensichtlich war sie gerade an Bord gekommen. Der Make-up-Mann sprühte Wasser auf ihr Gesicht, ihre Arme und an das Ende ihres blonden Haars.
Torrance hatte keine Antwort gegeben. Er drehte sich ruckartig um und starrte auf die Kamera. »Meinen Sie, ich kann meinen Text nicht?«
Aus dem dunklen Hintergrund kam ein grauhaariger Mann in grauer Kleidung. Er hatte brennende schwarze Augen, aber seine Stimme war kühl.
»Falls Sie ihn nicht absichtlich geändert haben«, sagte er, mit einem festen Blick auf Torrance.
»Es könnte ja sein, daß ich es nicht gewöhnt bin, vor einem Hinterprojektor zu spielen, der immer gerade in der Mitte der Szene leer läuft.« »Sie haben recht, sich zu beschweren«, sagte Ned Gammon. »Das Dumme ist, daß da nur 70 Meter Film reingehen, und daran bin ich schuld. Wenn Sie eben nur ein bißchen schneller spielen könnten ... «
»Pah«, schnaufte Torrance. »Wenn ich mich beeilen würde, vielleicht könnte man dann auch Miss Weld dazu bewegen, etwas schneller auf die Jacht zu klettern, als man braucht, um das verdammte Schiff zu bauen.«
Mavis Weld warf ihm einen schnellen, verachtungsvollen Blick zu.
»Das Tempo der Weld ist genau richtig«, sagte Gammon. »Und sie spielt es auch genau richtig.«
Susan Crawley hob blasiert die Schultern. »Ich hatte das Gefühl, daß sie ein bißchen mehr aufdrehen könnte, Ned. Es ist gut, aber es könnte besser sein.«
»Wenn es besser wäre, meine Liebe«, sagte Mavis Weld sanftmütig, »könnte vielleicht jemand glauben, daß hier wirklich gespielt würde. In deinem Film würdest du doch so was nicht haben wollen, oder?«
Torrance lachte. Susan Crawley wandte sich um und sah ihn böse an. »Was gibt's zu lachen, Mister Dreizehn?«
Torrances Gesicht erstarrte zu einer kalten Maske. »Wie war der Name noch mal?« - er zischte beinahe.
»Lieber Himmel, wollen Sie sagen, Sie wissen das nicht?« sagte Susan Crawley verwundert. »Sie werden Mister Dreizehn genannt, weil jede Rolle von Ihnen vorher von zwölf anderen abgelehnt worden ist.«
»Tatsächlich«, sagte Torrance kühl, dann brach er wieder in Gelächter aus. Er wandte sich an Ned Gammon. »Okay, Ned. Nachdem jetzt alle ihr Rattengift losgeworden sind, können wir es Ihnen vielleicht so bringen, wie Sie es brauchen.«
Ned Gammon nickte. »Nichts reinigt die Luft so wie ein bißchen Schmiere. Also gut, jetzt geht's los.«
Er ging zurück neben die Kamera. Der Assistent rief: »Laß laufen!«, und die Szene lief ohne Störung durch.
»Schnitt«, sagte Gammon. »Kann kopiert werden. Mittagspause für alle.«
Die Schauspieler kamen über ein paar Holztreppen herunter und nickten Wilson zu.
Zuletzt kam Mavis Weld, die sich die Zeit genommen hatte, einen Frottemantel und ein Paar Strandsandalen anzuziehen. Sie blieb ruckartig stehen, als sie mich sah. Wilson trat nach vorne.
»Tag, George«, sagte Mavis Weld. »Wollen Sie was von mir?«
»Mr. Marlowe möchte kurz mit Ihnen sprechen.«
»Mr. Marlowe?«
Wilson warf mir einen schnellen, scharfen Blick zu. »Von der Agentur Ballou. Ich dachte, Sie kennen ihn.«
»Ich habe ihn vielleicht mal gesehen.« Sie sah mich noch immer starr an. »Was gibt's denn?«
Ich sagte nichts.
Nach einem Augenblick sagte sie: »Danke, George. Kommen Sie doch lieber mit in meine Garderobe, Mr. Marlowe.«
Sie drehte sich um und ging am anderen Ende des Bühnenbildes vorbei. Eine grünweiße Umkleidekabine stand an der Wand. Der Name an der Tür: Miss Weld. An der Tür drehte sie sich und blickte sich
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