Die kleine Schwester
»Niemand würde es drucken. Die haben Angst. Also los, Kinder!«
Der große Hund, Maisie, lief herbei und stellte sich neben ihn. Der mittlere machte noch eben eine weitere Begonie kaputt und stellte sich dann neben Maisie. Der kleine, Jock, stellte sich in die Reihe. Aber dann hatte er eine plötzliche Eingebung und hob das Bein gegen einen von Oppenheimers Hosenaufschlägen. Maisie stupste ihn kurz, damit er aufhörte.
»Sehn Sie?« Oppenheimer strahlte. »Jock wollte mal zwischenrein. Maisie wollte es nicht zulassen.« Er beugte sich nieder und tätschelte Maisies Kopf. Sie sah bewundernd zu ihm auf.
»Die Augen eines Hundes«, sagte Oppenheimer gedankenvoll, »das Unvergeßlichste auf der Welt.«
Er schlenderte auf dem Fliesenpfad zum Direktionsgebäude hin, gemächlich neben ihm die drei Boxer.
»Mr. Marlowe?«
Ich drehte mich um und entdeckte, daß ein großer, hellhaariger Mann, mit einer Nase, so groß wie ein gewinkelter Ellenbogen, sich mir genähert hatte.
»Ich bin George Wilson. Erfreut, Sie zu sehen. Wie ich sehe, kennen Sie Mr.
Oppenheimer.«
»Hab mit ihm geredet. Er erzählte mir, wie man im Filmgeschäft arbeitet. Offenbar braucht man einfach nur fünfzehnhundert Kinos.«
»Ich arbeite seit fünf Jahren hier. Ich habe noch kein Wort mit ihm gewechselt.«
»Sie werden einfach nicht von den richtigen Hunden angepißt. «
»Da könnten Sie recht haben. Womit kann ich Ihnen helfen, Mr. Marlowe?«
»Ich möchte zu Mavis Weld.«
»Sie ist bei der Arbeit. Sie ist bei einem Film, der gerade gedreht wird.«
»Könnte ich sie eine Minute bei der Arbeit sehen?«
Er schien Zweifel zu haben. »Was für einen Passierschein haben Sie bekommen?«
»Einen gewöhnlichen Passierschein, glaube ich.« Ich hielt ihn ihm hin. Er sah ihn an.
»Ballou schickt Sie. Er ist ihr Agent. Ich glaube, es geht im Studio zwölf. Wollen Sie mit rüber gehen?«
»Wenn Sie Zeit haben. «
»Ich bin der Mann für die Öffentlichkeitsarbeit. Dafür ist meine Zeit da.«
Wir wanderten auf dem Fliesenweg auf eine Lücke zwischen zwei Gebäuden zu. Dort führte eine Betonstraße zum Hintergelände und zu den Studios.
»Waren Sie bei Ballou im Büro?«
»Da komme ich her.«
»Das muß wohl ein Mordsunternehmen sein. Ich wollte das auch mal versuchen, mit dieser Branche. Aber da hat man nichts als Arger.«
Wir kamen an einigen Studiopolizisten vorbei, dann bogen wir in einen schmalen Pfad zwischen zwei Studios. Ein rotes Blinklicht war über dem Weg, über einem Eingang mit der Nummer zwölf war eine rote Lampe, und über der Lampe schellte ständig eine Glocke. Wilson hielt neben dem Eingang an. Ein weiterer Polizist saß in seinem Stuhl nach hinten gekippt und nickte Wilson zu. Er sah an mir auf und ab, mit jenem leblosen Ausdruck, der sich auf ihnen festsetzt wie Schimmel auf der Kellerwand.
Die Glocke und das Blinklicht hörten auf, und das rote Licht ging aus. Wilson öffnete eine schwere Tür, und ich folgte ihm hinein. Innen war noch eine Tür. Noch tiefer drinnen schien es, verglichen mit dem Sonnenlicht, pechschwarz zu sein. Dann sah ich gebündelte Scheinwerfer in der gegenüberliegenden Ecke. Der Rest des riesigen Tonstudios schien leer zu sein.
Wir gingen auf die Lampen zu. Als wir näher kamen, wirkte der Boden wie mit schwarzen Kabeln zugedeckt. Es gab Reihen von Klappstühlen und mehrere tragbare Umkleideräume mit Namen an den Türen. Wir waren auf der falschen Seite der Bühne, und ich konnte nur die hölzernen Rückseiten und links und rechts eine große Projektionsfläche sehen. Ein paar Rückfilmprojektoren surrten an der Seite.
Eine Stimme rief: »Laß sie laufen.« Eine Klingel schrillte. Dann belebten sich die Projektionsflächen wie mit Wellengischt. Eine zweite, ruhigere Stimme sagte: »Achten Sie auf Ihre Positionen, es könnte sein, daß wir die kleine Szene gleich vertonen. Los, tummelt euch.«
Wilson blieb stehen und berührte meinen Arm. Die Stimmen der Schauspieler kamen aus unbestimmter Richtung, weder laut noch deutlich, ein bedeutungsloses Murmeln.
Plötzlich verschwand das Bild von einer der Leinwände. Eine geschmeidige Stimme ohne jede Modulation sagte »Schnitt«.
Wieder schrillte die Klingel, ein allgemeines Geräusch von Bewegung war zu hören.
Wilson und ich gingen weiter. Er flüsterte mir ins Ohr: »Wenn Ned Gammon diese Einstellung nicht vor Mittag fertig hat, kriegt Torrance sein Fett.«
»Oh, das ist Torrance!« Dick Torrance war damals grade einer der bekannteren
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