Die kleine Schwester
ihr in der Kehle. »Bitte«, sagte sie. »Fragen Sie mich nicht so viele sinnlose Sachen. Quälen Sie mich nicht. Sie können da nichts machen. Ich glaubte, Sie könnten es - als ich Dolores anrief. jetzt geht es nicht mehr.«
Ich sagte: »Na schön. Etwas gibt es, das Sie anscheinend nicht begreifen. Eines wußte Steelgrave: egal, wer es war, der hinter diesem Foto steckte - er wollte Geld, viel Geld.
Er wußte: früher oder später mußte der Erpresser sich zeigen. Und darauf wartete Steelgrave. Das Foto interessierte ihn überhaupt nicht - höchstens soweit es Sie betraf.«
»Das hat er allerdings gezeigt«, sagte sie müde.
»Auf seine Weise«, sagte ich.
Ihre Stimme drang zu mir, mit eisiger Ruhe. »Er hat meinen Bruder getötet. Er hat es mir selbst gesagt. In diesem Moment kam schließlich der Gangster durch. Komische Leute gibt's in Hollywood - stimmt's? Auch solche wie mich.«
» Sie haben ihn früher gern gehabt«, sagte ich brutal.
Auf ihren Wangen erschienen rote Flecken.
»Ich habe niemanden gern«, sagte sie. »Es ist Schluß damit.«
Sie warf einen kurzen Blick auf den Armsessel. »Seit gestern abend konnte ich ihn nicht mehr leiden. Er fragte mich nach Ihnen aus, wer Sie seien und so weiter. Ich erzählte es ihm. Ich sagte ihm, daß ich zugeben müßte, daß ich im Van Nuys Hotel war, als dort ein toter Mann lag.«
»Wollten Sie das der Polizei erzählen?«
»Ich wollte es Julius Oppenheimer erzählen. Er hätte gewußt, wie man damit fertig wird.«
»Wenn nicht er, dann bestimmt einer von seinen Hunden«, sagte ich.
Sie lächelte nicht. Ich auch nicht.
»Wenn Oppenheimer nicht damit fertig geworden wäre, wäre meine Filmkarriere zu Ende gewesen«, ergänzte sie gleichmütig. »jetzt ist auch alles andere zu Ende.«
Ich nahm eine Zigarette und zündete sie an. Ich bot ihr eine an. Sie wollte keine. Ich war nicht in Eile. Die Zeit konnte mir nichts mehr anhaben. Nichts konnte mir etwas anhaben. Ich war draußen.
»Sie sind mir zu schnell«, sagte ich, nach einem Augenblick. »Als Sie ins Van Nuys gingen, wußten Sie doch nicht, daß Steelgrave Weepy Moyer war. «
»Nein.«
»Warum gingen Sie dann hin?«
»Ich wollte die Fotos kaufen.«
»Das paßt nicht zusammen. Diese Fotos hatten doch gar keine Bedeutung für Sie. Sie waren einfach von ihm und Ihnen beim Essen.«
Sie starrte mich an und kniff die Augen zusammen; dann öffnete sie sie weit. »Ich weine schon nicht«, sagte sie. »Ich habe gesagt: ich wußte es nicht. Aber als er dann im Gefängnis war, mußte mir klarwerden, daß etwas mit ihm los war, was ich nicht wissen sollte. Ich habe mir wohl gedacht, daß er in trübe Geschäfte verwickelt war. Aber nicht, daß er Leute umbrachte.« Ich sagte: »Hmhm.« Ich erhob mich und wanderte wieder zum Armsessel hinüber. Ihre Augen drehten sich mir langsam nach. Ich beugte mich über den toten Steelgrave und tastete unter seinem linken Arm herum. Da war ein Revolver im Halfter. Ich faßte ihn nicht an. Ich kehrte zurück und setzte mich wieder ihr gegenüber.
»Es wird 'ne Menge kosten, die Sache aus der Welt zu schaffen«, sagte ich.
Zum erstenmal lächelte sie. Es war ein sehr schwaches Lächeln, aber es war ein Lächeln. »Ich habe nicht viel Geld«, sagte sie. »Also, so geht's nicht.«
»Oppenheimer hat das Geld. Für ihn sind Sie jetzt Millionen wert.«
»Er würde es nicht riskieren. Es gibt heutzutage zu viele Leute, die im Filmgeschäft herumstochern. Er nimmt den Verlust in Kauf - in sechs Monaten ist es vergessen.«
»Sie haben gesagt, Sie würden zu ihm gehen.«
»Ich sagte, wenn ich in der Tinte säße und eigentlich nichts getan hätte, würde ich zu ihm gehen. Aber jetzt habe ich etwas getan.«
»Und wie ist es mit Ballou? Für ihn sind Sie auch viel wert.«
»Keinen roten Heller bin ich wert - für niemand. Lassen Sie die Hände davon, Marlowe.
Sie meinen es gut, aber ich kenne diese Leute.«
»Also bin ich an der Reihe«, sagte ich. »Darum haben Sie mich wohl holen lassen.«
»Ja, wunderbar«, sagte sie. »Du mußt es in Ordnung bringen, Liebling. Umsonst.« Ihre Stimme war wieder flach und spröde.
Ich ging rüber und setzte mich neben sie auf die Chaiselongue. Ich nahm mir ihren Arm, zog ihre Hand aus der Tasche in dem Pelz und nahm sie in meine Hand. Sie war fast eisig kalt, trotz des Pelzes.
Sie wandte ihren Kopf und sah mich gerade an. Sie schüttelte leicht den Kopf. »Glaub mir, Liebling, ich bin's nicht wert - nicht mal, daß du mit mir
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